Phantasie fürs Ohr:Der Frosch im Klassiker

Kochler Grundschüler haben den Audioguide des Franz-Marc-Museums gestaltet - und erstaunliche Entdeckungen gemacht

Von Stephanie Schwaderer, Kochel am See

Das hat Erich Heckel wohl nicht geahnt, als er 1914 sein berühmtes Gemälde "Parksee" malte: Dass sich da in einem der Bäume am Ufer ein Laubfrosch versteckt hat, der ganz genau beobachtet, was auf dem Wasser vor sich geht. Zwei Burschen hat er besonders im Auge: Den Franz und seinen Kumpel, die doch tatsächlich versuchen, einen Fisch aus dem See zu ziehen! Kinder der Grundschule Kochel haben den Frosch zum Erzählen gebracht. Seine Geschichte ist auf dem Kinder-Audioguide des Franz-Marc-Museums zu hören, der unlängst um vier Bilder erweitert wurde.

Hinter dem Projekt steckt eine Frage, die viele Eltern kennen: Wie weckt man bei Kindern die Lust, ins Museum zu gehen? Und wie bringt man sie dazu, sich auf Bilder einzulassen, die auf den ersten Blick so langweilig sind und gar nicht mithalten können mit dem, was Fernsehen, Film und Internet rund um die Uhr ausspucken?

"Wahrnehmung kann man schulen", sagt Museumsleiterin Cathrin Klingsöhr-Leroy. Dies aber soll in ihrem Haus nicht schulmeisterlich vonstatten gehen, sondern frei und phantasievoll. 2009 hat das Museum mit Unterstützung des Bayerischen Rundfunks und der Stiftung Zuhören deshalb einen Audioguide für Fünf- bis Zwölfjährige entwickelt, der ohne jedes Fachvokabular auskommt und absolut nicht prüfungstauglich ist. Stattdessen überraschen die kleinen Hörstücke mit Texten, Geräuschen und Musik und regen dazu an, bestimmte - mit einem blauen Pferd gekennzeichnete Bilder - ganz genau zu betrachten. Das Projekt war so erfolgreich, dass es seitdem in weiteren bayerischen Museen fortgeführt wird. Und in Kochel entschied man sich, den Audioguide um ein paar Bilder zu erweitern.

Phantasie fürs Ohr: Kunst ist langweilig? Kochler Kinder haben mit ihrer Lehrerin Sabine Neustifter im Studio festgehalten, welch wilde Geschichten in Bildern stecken.

Kunst ist langweilig? Kochler Kinder haben mit ihrer Lehrerin Sabine Neustifter im Studio festgehalten, welch wilde Geschichten in Bildern stecken.

(Foto: Franz Marc Museum)

Den größten Spaß an der Sache hatten vermutlich die Dritt- und Viertklässler, die den akustischen Begleiter gestalten durften. "Das war schon eine tolle Sache", sagt Kunstlehrerin Sabine Neustifter. "Allein schon wie die Bilder für uns mit weißen Handschuhen aus dem Depot geholt und im Glasvorbau präsentiert wurden." In vier Gemälde sind ihre Schüler dann regelrecht abgetaucht: "Parksee" von Erich Heckl, "Streuhocken" von Franz Marc sowie "Sankt Georg" und "Improvisation 21" von Wassily Kandinsky.

Jeweils eine halbe Stunde lang durften die Mädchen und Buben die Malereien auf sich wirken lassen und frei assoziieren. "Die Gedanken sind nur so aus ihnen herausgesprudelt", sagt Neustifter. "Ich hab' bedauert, kein Steno zu können." Die nächsten Schritte bestanden darin, den Wust spontaner Einfälle in kleine Geschichten zu fassen und diese durch Musik und Geräusche auszuschmücken.

Ein schöner Zufall, dass Neustifter in Höfen bei Königsdorf mit einem Münchner Philharmoniker unter einem Dach lebt. Stefan Gagelmann, Spezialist für Schlagzeug-Kammermusik, lud die Kinder ein, mit ihm zusammen passende "Sounds" zu produzieren und etwa den Laubfrosch vom Parksee zum Quaken zu bringen. Die letzte Etappe führte die Schüler schließlich nach München-Schwabing ins Studio von Mona Horncastle, die sich auf Bildungsworkshops spezialisiert hat. Dort sprachen die Kinder ihre Stücke selbst ein - viele mit einem wunderbar rollendem Rrrr.

Audioguide Franz Marc Museum

So etwa im bekannten Werk "Heuhocken".

(Foto: Privat/Franz-Marc-Museum)

20 Bilder aus dem Bestand der Sammlung sind mittlerweile mit einem blauen Pferd gekennzeichnet. Museumsleiterin Klingsöhr-Leroy achtet darauf, dass bei jeder Ausstellung zumindest einige von ihnen zu sehen sind und sich junge Gäste mit dem Audioguide auf Entdeckungstour machen können. Sie ist begeistert von der Phantasie und der Spontaneität, die sich da Bahn gebrochen haben: "Das können wir Erwachsenen mit unserem Wissen und all den Vorstellungen, die uns im Wege stehen, gar nicht leisten."

Bei Franz Marcs Gemälde "Heuhocken" etwa fachsimpeln zunächst zwei pinke Kühe darüber, auf welcher Alm es sich gut grasen lässt. Wenig später findet sich der Zuhörer ins Jahr 2114 auf die begrünte Dachterrasse einer Großstadt katapultiert. Das hätte wohl auch Franz Marc zum Staunen gebracht.

Das Franz-Marc-Museum bietet jeden Sonntag von 13 bis 17 Uhr ein "Offenes Atelier" für Kinder. In den Pfingstferien gibt es zudem eine Vielzahl von Kinder-Kursen, Information und Anmeldung unter www.franz-marc-museum.de

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