Persönliche Erinnerungen:Tribut an einen über den Wolken

Persönliche Erinnerungen: Willi Sommerwerk kommt in die Stadtbücherei Wolfratshausen.

Willi Sommerwerk kommt in die Stadtbücherei Wolfratshausen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Geretsrieder Liedermacher Willy Sommerwerk spielt im ausverkauften Wolfratshauser D'Amato einen ganzen Abend lang Lieder von Reinhard Mey - von dem er selbst einst zum Gitarrespielen und Singen inspiriert wurde

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Mit Orpheus habe alles angefangen: bei Reinhard Mey - aber auch bei Willi Sommerwerk. Der Geretsrieder Liedermacher hörte 1968 zum ersten Mal einen Song seines Inspirators. "Ich wollte wie Orpheus singen", lautete der Titel, der auch Meys erstem Album seinen Namen gab. "Da war es um mich geschehen", sagt Sommerwerk am Freitagabend im D'Amato in Wolfratshausen: "Wie er mit der Sprache umgegangen ist - das war etwas Besonderes." Also griff der junge Sommerwerk ebenfalls zur Gitarre. Und er musiziert bis heute.

Sommerwerk - 67 Jahre alt, Brille, kariertes Hemd - sitzt mit seiner Gitarre auf der Bühne des Schützenhauses. Er hat schon einige Auftritte hinter sich, drei Soloprogramme mit eigenen Liedern hat er gespielt, doch dieser Freitagabend soll ganz Reinhard Mey gehören. Gut 60 Gäste füllen den Saal, kein Platz ist mehr frei, obwohl das Ticket zehn Euro im Vorverkauf gekostet hat. Nach dem Auftritt wird Sommerwerk Hände schütteln, man wird sich bei ihm bedanken für einen wunderbaren Abend. Das, so sagt Sommerwerk dann, sei für ihn der höchste Lohn.

In chronologischer Reihenfolge singt sich Sommerwerk durch Meys Diskografie, dazwischen erzählt er vom bewegten Leben des Sängers. Entdeckt wurde Mey 1966 auf einem Liedermacher-Festival auf Burg Waldeck - einem Festival, das es bis heute gebe, sagt Sommerwerk, und auf dem noch immer neue Liedermacher entdeckt würden. Anfangs sei Mey noch mit anderen Musikern unterwegs gewesen, doch die Wege trennten sich. Der eine wollte politische Musik machen, Mey von Leben, Tod, Freundschaft und Liebe singen. Daraus entstand das Lied "Freundliche Gesichter", in dem es heißt: "Wie Freunde, wie Komplizen waren wir / Ich hatte meinen Weg gefunden, sie gaben mir Mut, ihn zu geh'n / Und mir und meinen Liedern ein Quartier / Als keiner an mich glaubte, außer ihnen und mir."

So wird Sommerwerks Liederabend auch zu einer Zeitreise. Mit der "Ballade vom sozialen Aufstieg" geht es ironisch augenzwinkernd zurück in die Zeit der Protestmärsche, mit "Ich denk, es war ein gutes Jahr" in Meys von philosophischen Diskursen geprägte WG-Phase - und mit "Ankomme Freitag 13" in eine beinahe gänzlich andere Welt. Von Telegrammen und einem Anschreiben in Lebensmittelläden ist darin die Rede: "Versuchen Sie das heute mal bei Aldi", sagt Sommerwerk. Aus derselben Zeit stammt das Lied "Kaspar", das von Fremdenfeindlichkeit handelt und heute so aktuell ist wie damals. "Früher waren es Gastarbeiter, heute sind es Flüchtlinge", sagt Sommerwerk und singt die Geschichte vom hilfsbereiten Fremden, der ein schlimmes Ende findet: "Sein Hemd war blutig und zerrissen / Erstochen hatten sie ihn, dort am Üttinger Feld."

Viele der Lieder, die Mey geschrieben hat, waren persönlich, von seinem eigenen Leben inspiriert. Als sein erster Sohn geboren wurde, habe er viele Lieder über Kinder und Familie gedichtet, erzählt Sommerwerk - auch eines über seine Erfahrungen mit Ämtern, "Ein Antrag auf Erteilung (eines Antragsformulars)", von dem sich Sommerwerk besonders angesprochen gefühlt habe, weil er zu dieser Zeit selbst im öffentlichen Dienst gearbeitet habe. Als Meys erste Ehe zu Ende ging, gab es das Lied "Die Zeit des Gauklers ist vorbei", und als ein Freund starb, textete Mey "Schade, dass du gehen musst". Auch ein Liebeslied ist Teil des Abends, in dem das Wort Liebe kein einziges Mal vorkommt - und natürlich Meys bekanntes "Über den Wolken". Als Sommerwerk es ankündigt, läuft ein beglücktes Seufzen durch das Publikum, und manche singen mit.

Wer einmal von Reinhard Mey erfasst worden sei, den lasse er nie wieder los, sagt Sommerwerk zum Abschluss. Kommendes Jahr, im Oktober 2017, werde Mey auf seiner Tour zwei Tage lang Station in München machen. Wer Tickets wolle, müsse sich beeilen, rät Sommerwerk: Obwohl das Konzert erst in knapp einem Jahr stattfindet, sind schon jetzt in machen Städten keine Karten mehr zu bekommen.

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