Penzberg:Schatzkiste für Campendonk

Am Samstag eröffnet das neue Penzberger Museum. Der moderne Zwillingsbau beherbergt eine einzigartige Sammlung des Expressionisten, bietet aber auch Zeitgenössischem Raum.

Von Felicitas Amler, Penzberg

Heinrich Campendonk war erst 21 Jahre alt, als er sich im Jahr 1911 in der Umgebung von Penzberg niederließ. Ein junger Künstler, der "sich seine eigenen Motive suchen musste", wie die Penzberger Museumsdirektorin Gisela Geiger sagt. "Motive, die die anderen übersehen hatten": Schornsteine, die Berghalde, die Bergarbeiterhäuser. Der Jüngste der Künstlergruppe "Blauer Reiter" hat auch deswegen seinen ganz eigenen Platz unter den Expressionisten. Ein Glücksfall für die Stadt Penzberg. Denn sie kann sich heute mit einem einzigartigen Campendonk-Haus neben Bernried, Kochel am See und Murnau in die "MuSeenLandschaft Expressionismus" einfügen. Am Samstag wird diese neue Attraktion der Stadt unter dem Titel "Museum Penzberg - Sammlung Campendonk" eröffnet. Das Haus beherbergt mit rund 300 Arbeiten eine hochkarätige Campendonk-Sammlung.

Bürgermeisterin Elke Zehetner gab beim Pressetermin am Dienstag zu, es sei ein langer, auch nervenaufreibender Weg zu diesem Museum gewesen. Penzberg musste vor fünf Jahren Teile seines Stadtmuseums schließen, das in einem historischen Bergarbeiterhaus mehr schlecht als recht untergebracht war: Der Brandschutz war nicht auf der Höhe der Zeit. Im Jahr darauf stand der Stadtratsbeschluss, nicht nur den Bestand zu sanieren, sondern zusätzlich anzubauen. Denn schon damals verfügte Penzberg dank einer Leihgabe über mehr als achtzig Werke aus dem Nachlass Campendonks, die es angemessen zu präsentieren galt. Der Architekt Thomas Grubert hatte die Idee, einen Zwillingsanbau zu schaffen. Das Projekt wurde für 3,5 Millionen Euro realisiert, zur Hälfte gefördert von staatlichen Institutionen, und gesponsert vom Penzberger Unternehmen Roche.

Der Neubau hat dieselbe Kubatur wie das Bergarbeiterhaus, setzt aber mit der schwarz-grau schimmernden Fassade einen eigenwilligen Akzent: An die 12 000 Klinker, die Kohle enthalten oder im Kohle-Salz-Brand-Verfahren hergestellt wurden, verweisen auf die Geschichte Penzbergs als Kohlebergwerksstadt. Keiner werde dieses Museum mehr übersehen, kann Gisela Geiger nun zufrieden feststellen. Die Museumsdirektorin ist inzwischen eine der profundesten Kennerinnen Campendonks. Wer von ihr durch das neue Haus geführt wird, sieht mehr in den Ölgemälden, Aquarellen und Hinterglasbildern.

Museum Penzberg - Sammlung Campendonk

Im Treppenhaus des Neubaus: ein Glasfenster des Künstlers.

(Foto: Manfred Neubauer)

Beim "Grünen Kruzifixus" etwa erklärt Geiger, Campendonk sei keineswegs sehr religiös gewesen, es handle sich hier vielmehr um ein säkulares Leidensmotiv, denn der Künstler habe sich sein Leben lang als Leidender gefühlt. Im selben Raum, im Erdgeschoss des Neubaus, der den Ölbildern vorbehalten ist, hängt ein großes Gemälde "Mann mit Maske", auf dem das, wie Geiger sagt, "persönliche Leidensmotiv" des Künstlers zu sehen ist: der Kopf mit der erhobenen Hand. In den frühen Bildern sei es noch eine Hand, die das Ohr verdeckt - Assoziation zu van Gogh mit dem abgeschnittenen Ohr -, später nur noch die Hand neben dem Kopf.

Geigers Begeisterung für den wandlungsfähigen Expressionisten wird spürbar, wenn sie über seine fundierte handwerkliche Ausbildung spricht und diese etwa am Beispiel eines liegenden Akts vors Auge führt: "So etwas kann Herr Beltracchi nicht", sagt sie da in Anspielung auf den Campendonk-Fälscher, der die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt hatte.

"Die wahren Schätze" nennt die Direktorin die Arbeiten auf Papier, die in der aktuellen Ausstellung im ersten Stock präsentiert werden - befristet, denn länger als drei Monate dürfen solche Kunstwerke nicht dem Lichteinfall ausgesetzt werden. Die Aquarelle aus den Jahren von 1912 an sind deswegen bis heute so gut erhalten, weil sie bei Campendonks Frau Ada in einer Mappe lagen. Eines davon ist das Leitmotiv der ersten Schau im neuen Penzberger Haus: Es zeigt das verliebte Paar, und Ada, so sagt Geiger, "hat ihren Heinrich Campendonk so im Blick, wie wir ihn im Blick haben".

Obwohl Geiger schon tief in Campendonks Werk eingedrungen ist, bleibt auch für sie manches rätselhaft. Etwa das immer wieder auftauchende Motiv eines weiblichen Akts mit Kühen. Viel gibt es da noch zu entdecken, zu erforschen und vor allem der Öffentlichkeit zu präsentieren. "Wir müssen uns so ein bisschen bewähren", sagt die Museumsdirektorin mit Blick auf die Leihgeber, die natürlich möchten, dass Penzberg dem Werk des Künstler gerecht wird. Der Museumsneubau ist ein entscheidender Schritt. Nach der Eröffnungsausstellung, die sich auf die bedeutendsten Bilder der Sammlung konzentriert, wird diese "in eine inhaltsreiche Dauerausstellung überführt".

Doch auch für zeitgenössische Kunst bietet das neue Doppelhaus Platz. Ein augenfälliger Hinweis darauf ist das zwischen die beiden Häuser gebaute gläserne Foyer, in dem in luftiger Höhe eine Skulptur von Dorothea Reese-Heim schwebt. Der Raum fürs Moderne ist unter dem Dach des Neubaus. Dort ist eine Licht-Decke installiert, die in unterschiedlichen Farben erstrahlen kann und Projektionen ermöglicht. Thomas Grubert, der sich auch dies ausgedacht hat, spielt, wie er sagt, damit auf die Sky-Spaces des amerikanischen Land-Art-Künstlers James Turrell an. Zur Eröffnung bietet der Raum aber erst einmal den Penzbergern eine zeitgeschichtliche Soundcollage ihrer Stadt.

Eröffnung Museum Penzberg - Sammlung Campendonk, Samstag, 4. Juni, 15 Uhr. www.museum-penzberg.de

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