Fußball:Der oberbayerische Friseur, der das Elfmeterschießen erfand

Erfinder des Elfmeterschießens

Karl Wald 2006 in Penzberg. 1970 veränderte der ehemalige Schiedrichter mit seiner Idee zum Elfmeterschießen den Fußball.

(Foto: dpa)

Karl Wald aus Penzberg hatte es satt, dass Spiele per Münzwurf entschieden werden. Als Amateur-Schiedsrichter testete er seine Idee bei Jugendspielen - heimlich.

Von Konstantin Kaip, Penzberg

Dass das Elfmeterschießen ein Segen für den Fußball ist, konnte man am Donnerstagabend beim Viertelfinale der Europameisterschaft zwischen Portugal und Polen mal wieder erleben. Die Regelung hat aus einem von Taktik und Vorsicht geprägten Kick einen spannenden Nerventhriller gemacht, mit strahlenden Siegern und tragischen Helden. Dabei ist es gerade einmal 40 Jahre her, dass der Fußball-Weltverband Fifa das Elfmeterschießen in sein Regelwerk aufgenommen hat. Vorher, das ist heute kaum vorstellbar, wurden Spiele, die nach der Verlängerung noch unentschieden standen, per Los oder Münzwurf entschieden.

Das Elfmeterschießen und zahlreiche historische Penalty-Krimis verdankt die Fußballwelt einem Friseur aus Penzberg: Karl Wald, der 2011 im Alter von 94 Jahren starb. Heute erinnert ein unscheinbarer Grabstein auf dem Penzberger Friedhof an den leidenschaftlichen Amateur-Schiedsrichter - und die Straße zum Stadion, die seit 2013 die Karl-Wald-Straße heißt. "Fußballschiedsrichter" steht unter dem blauen Straßenschild, und "Erfinder des Elfmeterschießens".

"Siege per Münzwurf? Ungerecht!"

Wald, 1916 in Frankfurt am Main geboren, erwarb mit 20 Jahren seine Schiedsrichterlizenz. Während des Zweiten Weltkriegs geriet er in britische Kriegsgefangenschaft und leitete zahlreiche Militär-Fußballspiele, auch im Prinzenparkstadion in Paris.

In den 1940er-Jahren kam er nach Penzberg. Wald hatte es bald satt, dass es im Fußball am Ende der Verlängerung kein sportliches Entscheidungskriterium mehr gab. "Siege per Münzwurf, das waren keine Siege, das war gar nichts! Dermaßen ungerecht war das! Es konnte so nicht weitergehen", hat er sich auch im Alter noch erinnert. Wald testete seine Idee eines Elfmeterschießens mit fünf Schützen pro Mannschaft zunächst heimlich bei Oster- oder Schulturnieren.

Revolution von unten

Die Begeisterung, mit der die Regelung dort angenommen wurde, motivierte ihn schließlich, eine Revolution von unten zu starten: Am 30. Mai 1970 präsentierte der damals 54-Jährige seinen Vorschlag beim zwölften Schiedsrichter-Verbandstag des Bayerischen Fußball-Verbands in München. Die Neuerung muss damals für das konservative Präsidium ähnlich verwegen geklungen haben wie heute die Diskussion um den Videobeweis. Dem Präsidenten Hans Huber passte sie jedenfalls nicht in den Kram.

Erfinder des Elfmeterschießens

Das Straßenschild der Karl-Wald-Straße.

(Foto: dpa)

Aber Wald konnte Überzeugungsarbeit leisten. Er hielt ein flammendes Plädoyer gegen die Regentschaft des Zufalls: "Kameraden! Ich bitte Sie, geben Sie dem Antrag grünes Licht, Erfolg rechtfertigt alles. Vielen Dank." Huber gab nach, später nahm auch die Fifa den Vorschlag in ihr Regelwerk auf.

Das erste Turnier, das durch Elfmeterschießen entschieden wurde, war die Europameisterschaft 1976. Beim Finale Deutschland gegen die Tschechoslowakei verschoss Uli Hoeneß - Antonin Panenka bezwang Sepp Maier mit einem feinen Lupfer unter die Latte und machte sich damit zum tschechischen Nationalhelden.

Warum sein Heimatstadion nie nach ihm benannt werden wird

"Er war schon sehr stolz auf seine Erfindung", erinnert sich Josef Siegert. Der Sportliche Leiter des 1. FC Penzberg in der Bezirksliga, der bei der Stadt für die Sportstätten zuständig ist, hat Wald auf dem Fußballplatz kennengelernt und war ihm bis an sein Lebensende freundschaftlich verbunden. "Er war sich am Anfang gar nicht bewusst, dass er damit Geschichte geschrieben hat", erzählt Siegert. Erst die Elfmeterdramen bei großen Turnieren hätten ihm das vor Augen geführt.

Die Geschichte, wie er die Fußballwelt von seiner Idee überzeugte, habe Wald dann aber auf jeder Jahreshauptversammlung des Penzberger Clubs erzählt, wo er bis ins hohe Alter aktiv gewesen sei. "Er war ein sehr korrekter und zielstrebiger Mensch", erinnert sich Siegert an Karl Wald, ein "Kavalier der alten Schule", der seine "Überredungskünste schon anwenden konnte und eigentlich immer gekriegt hat, was er wollte".

Kaum einer kennt Karl Wald

Umso erstaunlicher findet es Siegert, dass Karl Wald trotz regelmäßiger Berichte in den Medien kaum bekannt ist - auch nicht bei Profi-Fußballern. "Ich habe meinen Trainerschein mit Mehmet Scholl und Lothar Matthäus gemacht, die wussten beide nicht, wer er war", erzählt Siegert. Der Trainer sieht sich auch in der Pflicht, den berühmten Sohn Penzbergs bekannter zu machen und sein Andenken zu pflegen. Er habe einige Autogrammkarten von Karl Wald, die er immer wieder an junge Spieler verteile, sagt Siegert. "Gerade bei großen Turnieren wie jetzt bei der EM bringe ich das immer wieder aufs Parkett", sagt er.

Sein Vorschlag, das Nonnenwaldstadion in Penzberg in Karl-Wald-Stadion umzubenennen, ist allerdings gescheitert. Im Stadtrat werde das nicht gern gesehen, sagt Siegert. Schließlich wolle das Gremium die Sportstätte einmal nach dem Altbürgermeister Kurt Wessner benennen, der den Bau des Stadions einst durchgesetzt hatte.

Karl Walds Vermächtnis lebt ohnehin in jedem Elfer-Krimi weiter, der die Fußballfans der Welt in Atem halten wird. Vielleicht ja schon am Samstagabend beim EM-Viertelfinale Deutschland gegen Italien. Die Spieler sollten allerdings nicht darauf spekulieren. Denn dass das übel ausgehen kann, weiß man vom WM-Halbfinale der beiden 2006. Damals kassierten die Deutschen in der 119. und 121. Minute noch zwei Tore von den Italienern, die das Sommermärchen jäh beendeten. Den Titel holten sich die Azzurri dann gegen die Franzosen - im Elfmeterschießen.

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