Schäferwagen in der Jugendsiedlung:Landurlaub für Stadtkinder

Pia Novak mit Modell eines Urlaubsdorfes für einkommensschwache Familien, 2015

Sechs Schäferwagen für Urlauber aus der Stadt möchte Pia Novak in Königsdorf im Landkreis Bad Tölz/Wolfratshausen aufstellen, im Bild ein Modell.

(Foto: Robert Haas)

Eine Gruppe Münchner will einkommensschwachen Familien Sommertage im Grünen ermöglichen. Finanziert werden soll das Projekt mit Crowdfunding, also einer Spendenaktion im Internet.

Von Katharina Eichinger

Barfuß durch den Schlamm laufen, Kaulquappen fangen, Blumen pflücken: Viele Münchner Kinder kennen solche Erlebnisse nicht. Stattdessen treffen sie täglich auf Beton, Asphalt und Wolkenkratzer. Eine Gruppe Münchner will das ändern: Unter der Leitung von Pia Novak haben sie ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen. "Muck - Das Entdeckerdorf" soll einkommensschwachen Familien aus der Stadt Urlaub im Grünen ermöglichen.

Novak ist als Kind selbst oft auf dem Reiterhof gewesen. "Viele Kinder haben heutzutage ein Naturdefizit und kaum mehr Berührung mit der Natur", sagt die Initiatorin des Projekts. Das liegt auch daran, dass sich viele Familien aus der Stadt einen Urlaub auf dem Bauernhof nicht leisten können. Oft sind die Mütter oder Väter alleinerziehend. So entstand die Idee zu einem Schäferwagen-Dorf im Süden von München. In Königsdorf auf dem Gebiet der Jugendsiedlung Hochland e.V. im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sollen die Wagen kommenden Sommer Platz finden.

Die 47-Jährige hat sich selbst einen solche Wagen gekauft. Momentan steht er am Ammersee. Novak und ihre Familie nutzen ihn, um regelmäßig ins Grüne zu fahren. Ihr gefällt die heimelige Atmosphäre in dem Wagen, "wie in einer kleinen Blockhütte". Außerdem biete er bequem Platz für vier Leute. Schäferwagen sind in der Anschaffung günstig: Man braucht keine Baugenehmigung und kann sie jederzeit wieder wegfahren. Trotzdem kostet es mindestens 6000 Euro, einen Schäferwagen zu bauen. Novak hat sich für Crowdfunding entschieden, um das Projekt zu bezahlen. Das bedeutet, dass die Masse - also die Crowd - das Geld für die Wagen und die Pacht des Gebiets spendet.

Anfang November hat die Finanzierungsphase auf der Münchner Internet-Plattform "place2help" begonnen. Insgesamt 90 Tage hat die Aktionsgruppe Zeit, 20 000 Euro zu sammeln. Die Summe reicht aus, um die Pacht für ein Jahr zu bezahlen und erste Schäferwagen zu kaufen. Die Weiterfinanzierung soll dann über Sponsoren laufen. Novak hat auch Bekannte, die Wagen an das Dorf verleihen werden. Sechs Blockhütten auf Rädern sollen auf dem Areal im Sommer bereit stehen.

"Jeder Spender ist von Anfang an Teil des Projekts", sagt Novak. Über "place2help" können die Geber auswählen, wie viel Geld sie spenden möchten. Für zehn Euro bekommen Unterstützer einen Postkartengruß aus dem Entdeckerdorf, für 15 Euro mehr gibt es eine umweltfreundliche Trinkflasche. Wer seinen Namen auf einem der Wagen lesen möchte, muss tiefer in die Tasche greifen: 3500 Euro kostet der personalisierte Schlaf- und Wohnplatz im Entdeckerdorf. So können die Spender direkt sehen, wohin ihr Geld fließt. Und durch Crowdfunding kommt nicht nur Geld zusammen, zugleich wird das Entdeckerdorf auch bekannt gemacht.

Dass Bedarf für ein solches Projekt herrscht, da ist sich Novak sicher: "Es gibt schon viele positive Stimmen aus München. So etwas gibt es hier noch nicht." Preislich soll der Urlaub auf dem Schäferwagendorf noch unter einem Aufenthalt in der Jugendherberge liegen. Novak möchte aber ganz bewusst nicht, dass das Entdeckerdorf wie ein Ferienlager für Kinder ist. Deswegen soll Muck auch für Erwachsene zum Erlebnis werden: Wer sich in der Stadt nie den Traum vom eigenen Garten verwirklichen konnte, kann im Entdeckerdorf mit anpacken und zum Beispiel Teil des Gartenteams werden. Denn: "Auch viele Erwachsene haben das Bedürfnis, aus der Stadt herauszukommen."

Ist das Projekt erfolgreich, soll es direkt nach Ende des Crowdfunding umgesetzt werden. Ziel ist, dass im Sommer die ersten Familien dort ihren Urlaub verbringen können. Nach dem ersten Jahr, wenn die Spendengelder verbraucht sind, hofft Novak neben Sponsoren auch auf städtische Unterstützung. Die laufenden Betriebskosten werden von den Einnahmen nämlich nicht gedeckt.

"Wenn wir die Summe nicht zusammenbekommen, dann war es das leider", sagt Novak. Dann bekommen die Unterstützer ihr Geld zurück. Aufgeben wird die 47-Jährige allerdings nicht: "Ich würde natürlich noch versuchen, das Ganze über Sponsoren aufzuziehen."

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