Oberbayern:Doppelmord in Königsdorf: Eine Verdächtige festgenommen, ihr Bruder auf der Flucht

Tatverdächtige nach Gewaltverbrechen

Im Weiler Höfen bei Königsdorf wurden zwei Menschen umgebracht und eine weitere Person schwer verletzt.

(Foto: dpa)
  • Nach dem Doppelmord im oberbayerischen Königsdorf hat die Polizei zwei Tatverdächtige ermittelt.
  • Eine Frau, die als Pflegekraft in dem Haus gearbeitet hat, sitzt bereits wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord in Untersuchungshaft. Nach ihrem Bruder wird wegen des Vorwurfs des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes europaweit gefahndet.
  • Nach SZ-Informationen sollen die Täter überrascht gewesen sein, drei Personen im Haus anzutreffen. Sie sollen nur mit der Hausbesitzerin gerechnet haben.

Von Claudia Koestler und Sebastian Krass

Gut zwei Wochen nach Bekanntwerden des Doppelmordes im oberbayerischen Weiler Höfen bei Königsdorf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat die Polizei zwei Tatverdächtige ermittelt. Eine Frau ist in Untersuchungshaft, ein mutmaßlicher Komplize ist auf der Flucht.

Nach Angaben der Ermittler wurde eine 49-Jährige in Brandenburg festgenommen. Sie hat im vergangenen Jahr als Pflegekraft im Haus gearbeitet, wie sie auf einer Pressekonferenz in Weilheim bekannt gaben. Über die Inhalte der Vernehmung der Frau machen die Ermittler keine Angaben. Die Frau sitzt wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord in Untersuchungshaft, wie Oberstaatsanwalt Hajo Tacke sagte.

Nach dem mutmaßlichen Komplizen, einem ebenfalls identifizierten 43-Jährigen, fahndet die Polizei europaweit. Es handelt sich um dem Bruder der Festgenommenen. Sein Name ist Robert P. Er ist 1,80 Meter groß, hat sehr kurze, dunkle Haare (annähernd eine Glatze), eine athletische Figur, eine Totenkopf-Tätowierung am rechten Oberarm und spricht polnisch sowie gebrochen deutsch.

Ihm werden zweifacher Mord und versuchter Mord vorgeworfen. Die Ermittler vermuten, dass er sich in Polen aufhält. Und sie warnen, dass er möglicherweise bewaffnet und gefährlich sei.

Wie die Tat abgelaufen sein soll

Die Tat war bekannt geworden, nachdem am 25. Februar ein Anrufer die Polizei alarmiert hatte, weil in dem Einfamilienhaus "etwas nicht stimme". Polizisten auf Streife entdeckten daraufhin Einbruchsspuren und kontrollierten deshalb das Innere des Hauses. Dabei fanden sie die brutal zugerichteten Leichen einer 76-Jährigen aus Eschborn und eines 81-Jährigen aus Hagen sowie die schwer verletzte 76 Jahre alte Eigentümerin des Hauses. Sie ist bis heute nicht vernehmungsfähig.

Nach SZ-Informationen aus Ermittlerkreisen waren die Tatverdächtigen offenbar davon ausgegangen, dass die Hausbesitzerin alleine sei, und wurden davon überrascht, dass zwei weitere Personen im Haus waren. Zunächst wurde offenbar die Bekannte aus Eschborn erschlagen, die Hausbesitzerin und der 81-Jährige sollen sich dann im Schlafzimmer verbarrikadiert haben. Der mutmaßliche Täter soll aber die Tür eingeschlagen, den Mann getötet und die Frau misshandelt, gefesselt und in den Heizungskeller geschleift haben.

Wegen des dramatischen Ablaufs der Tat waren offenbar auch im ganzen Haus Blutspuren verteilt, was die Zuordnung der Spuren schwierig machte.

Der Durchbruch gelang den Ermittlern Anfang dieser Woche. In der Nähe des Tatorts hatten sie, wie es in der Pressemitteilung heißt, einen "tatrelevanten Gegenstand" mit einem vollständigen DNA-Muster gefunden. Es stimmte mit Spuren im Haus überein. Der Abgleich mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergab einen Treffer mit der DNA des 43-Jährigen, der bereits polizeibekannt war. Die Ermittler schließen nicht aus, dass noch weitere Personen am Tatort waren. Ob die inhaftierte Frau selbst zur Tatzeit am Tatort war, ist noch unklar.

Hinweise darauf, dass das Geschwisterpaar schon früher ähnliche Taten verübt hat, haben die Ermittler derzeit nicht. "Aber wir prüfen ähnlich gelagerte Fälle bundesweit", sagte der Leiter der Sonderkommission "Höfen", Markus Deindl.

Die Polizei sucht auch eine Person als Zeugen. Sie soll in der Tatnacht vom 22. auf den 23. Februar gleichzeitig mit den mutmaßlichen Tätern in der Rastanlage Höhenrain an der A 95 gewesen sein. Von dem Zeugen erhoffen sich die Ermittler weitere Erkenntnisse darüber, wie viele Personen an der Tat beteiligt waren und in welchem Fahrzeug sie unterwegs waren.

Am 1. März berichtete die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" über den Fall.

Königsdorfs Bürgermeister Anton Demmel zeigte sich nach dem mutmaßlichen Fahndungserfolg erleichtert, fügte im Gespräch mit der SZ aber hinzu: "Aber nur zu hören, dass die Täter womöglich gefasst sind, das reicht nicht." Für ihn sei es nun genauso wichtig, die Hintergründe der Tat zu erfahren, um die Verunsicherung, die seither im Dorf herrsche, verarbeiten zu können. "Wir waren ja in unserer Gemeinde Gott sei Dank noch nie so nah dran an einem Gewaltverbrechen wie in diesem Fall. Man kennt eines der Opfer, das Umfeld, die Geschichte. Da spielt es eine große Rolle zu erfahren, warum, wieso, weshalb so etwas passieren konnte."

Der Schrei des Polizisten ging "durch Mark und Bein"

Demmel war vor damals vor zwei Wochen auch als einer der ersten am Tatort. Seit knapp 30 Jahren ist er Mitglied der örtlichen Feuerwehr und wurde deshalb in der Nacht zum Sonntag von der Sirene in den Einsatz gerufen. "Samstagnacht, da denkt man an alles: einen Brand, einen Unfall, aber nicht an eine Wohnungsöffnung".

Er sah die Polizisten ins Haus gehen. Plötzlich rief einer: "Sanitäter!" Anton Demmel sagt: "Das werde ich nie vergessen können. Das ging durch Mark und Bein." Und es war ihm spätestens in dem Moment klar, hinter der Türe mussten sie auf eine Szenerie gestoßen sein, die unvorstellbar war.

An einen zufälligen Einbruch habe er seither nicht wirklich glauben wollen. Höfen sei ein idyllisch ländlicher Ortsteil, der überwiegend von Familien bewohnt werde, die fast eine "in sich geschlossene Kommune" bildeten. Einzig eine Stichstraße führt zu den Häusern. Von der Bundesstraße 11 aus, die an Höfen vorbeiführt, sind sie so gut wie nicht auszumachen. Dort das einzige Haus zu finden mit einer alleinstehenden älteren Dame ohne Hund, "nein, das funktioniert nicht", zu diesem Schluss sei er für sich gekommen.

Am Mittwochabend hatte die Polizei eine Informationsveranstaltung speziell für die unmittelbar betroffenen Nachbarn veranstaltet. "Warum das Ganze passiert ist, konnten wir an diesem Abend nicht klären", sagt Demmel. Doch die Ermittler hätten bereits sehr zuversichtlich geklungen. "Das hat uns hoffnungsvoll gestimmt, dass da ein Erfolg in Aussicht war."

Die örtliche Polizei hatte bei den Ermittlungen auch Unterstützung vom Bundeskriminalamt (BKA) erhalten. Die sogenannte Tatortgruppe BKA sicherte bereits in der vergangenen Woche mit modernen Methoden Spuren. "Sie sind technisch sehr gut ausgestattet und können etwa größere Zimmer rascher und effektiver untersuchen", erklärte Jürgen Thalmeier, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd.

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