NS-Spuren in Dietramszell:Gestank von tausend Jahren

Politiker, die eine Distanzierung zur Ehrenbürgerschaft Hitlers und von Hindenburgs ablehnen, gehören von den Bürgern aus den Mandaten getrieben. Bürgermeisterin Leni Gröbmaier zeigt, wie überfordert sie ist.

Kommentar: Felicitas Amler

Die Sache ist so unfassbar, dass dem schockierten Beobachter schier die Begriffe ausgehen: Wie soll man es nennen, dass Dietramszell es abgelehnt hat, sich von der Ehrenbürgerschaft Hindenburgs und Hitlers zu distanzieren? Entsetzlich, skandalös, haarsträubend, verheerend? Alles zutreffend und doch nicht ausreichend. Der Gemeinderat hat ja nicht irgendeinen unmöglichen bürokratischen Akt zurückgewiesen. Diesen Eindruck versuchen jene zu erwecken, die völlig abstrus argumentieren, man könne eine Ehrenbürgerschaft gar nicht aufheben, wenn der Geehrte erst einmal tot sei. In Wirklichkeit hat sich die politische Repräsentanz der Gemeinde Dietramszell geweigert, die Verehrung eines der größten Verbrechers der Menschheitsgeschichte in aller Form zu revidieren. Politiker, die zu solchen Beschlüssen kommen, gehören von den Bürgern aus den Mandaten getrieben. Und eine Bürgermeisterin, die das Ganze ohnmächtig geschehen lässt, ist offenkundig fehl am Platz.

Wie überfordert Leni Gröbmaier mit der Situation ist, zeigt ihre Erklärung zwei Tage nach dem Beschluss: Sie will abwarten, was die Gemeinderäte, mit deren Votum sie nicht gerechnet hatte - schon dies eine Bankrotterklärung sondergleichen - nun zu tun gedenken. Abwarten ist gewiss das Letzte, was hier angezeigt ist.

Eigentlich hätte man schon ahnen können, wie unfähig die Dietramszeller Lokalpolitik ist, mit dem Erbe der Nazizeit aufzuräumen, als Gröbmaier einen Arbeitskreis zur Vorbesprechung einberufen hatte. Wozu das Herumgeeiere? Braucht die Bürgermeisterin erst eine Expertise, um zu wissen, wie Nazi-Größen und deren Wegbereiter einzuordnen sind? Schlimm genug. Aber noch schlimmer: Der eindeutige Rat des mit Rechtsextremismus und Neonazis befassten grimmepreisgekrönten Autors Peter Probst, Dietramszell müsse sich nicht nur von Hitlers Ehrenbürgerschaft, sondern auch von der Hindenburgs distanzieren, hat gar nichts gebracht. Dass auch Hindenburg, wie Probst sagte, Hunderttausende auf dem Gewissen hat - geschenkt. Dergleichen rührt den Dietramszeller Gemeinderat weniger als die Frage, ob er "die damaligen" Gemeinderäte verurteilt. Das nämlich wurde expressis verbis abgelehnt. Im Klartext: Lokale Nazis zu verurteilen ist in Dietramszell im Jahre 2013 nicht opportun. Das darf nicht das letzte Wort gewesen sein.

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