Neue Perspektive:Wo Worte nicht hinreichen

Neue Perspektive: Streichquartette wie das Amaryllis Quartett haben sich auf großen Wettbewerben einen Namen gemacht. Nun gehört Primarius Gustav Frielinghaus zu den Juroren, die junge Ensembles zu einem internationalen Streicherwettbewerb nach Bad Tölz holen.

Streichquartette wie das Amaryllis Quartett haben sich auf großen Wettbewerben einen Namen gemacht. Nun gehört Primarius Gustav Frielinghaus zu den Juroren, die junge Ensembles zu einem internationalen Streicherwettbewerb nach Bad Tölz holen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das "Amaryllis Quartett" und die Schauspieler Johannes Merz und Michael Ransburg werfen einen ungewohnten Blick auf Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy

Von Sabine Näher, Icking

Es ist eine schöne Programmidee: Zwei Streichquartette Felix Mendelssohn Bartholdys und Robert Schumanns, bereichert um Textlesungen aus deren Briefen und Zeitungsartikeln. Schließlich war Mendelssohn ein leidenschaftlicher Briefeschreiber, mit guter Beobachtungsgabe wie mit Witz gesegnet, und Schumann ein Musikjournalist, der zu seiner Zeit Maßstäbe setzte. Diese schöne Idee setzten das Amaryllis Quartett und die Schauspieler Johannes Merz und Michael Ransburg am Samstagabend im Rilke-Gymnasium zum Abschluss der diesjährigen Reihe "Meistersolisten im Isartal" um.

Erst der Text, dann die Musik - so lautete die Parole im ersten wie im zweiten Programmteil. Während das Quartett schon spielbereit dasaß, postierten sich die beiden Schauspieler stehend am linken und rechten Bühnenrand. Ransburg ließ Schumann zu Wort kommen, Merz Mendelssohn. Sehr lebendig gestaltete sich dieser Vortrag, der die beiden Komponisten vor dem inneren Auge des Zuhörers gleichsam Gestalt annehmen ließ. Schumanns literarische Begabung - er hatte lange gezögert, ob er nun Musiker oder Schriftsteller werden sollte - wurde ebenso deutlich wie seine eher bedachte, abwägende Art, während Mendelssohn als der charmante Tausendsassa rüberkam, als den ihn seine Zeitgenossen beschreiben.

Nur eines wollte nicht recht passen: Merz ließ aus den Texten eine gewisse Selbstgefälligkeit, mitunter fast Arroganz aufscheinen, die Mendelssohn aber nirgends attestiert werden. Davon einmal abgesehen boten die Schauspieler eine stimmungsvolle Einleitung und perfekte Einstimmung auf die Musik.

Mendelssohns Streichquartett Nr. 3 D-Dur eröffnete das Amaryllis Quartett - Gustav Frielinghaus, Lena Sandoz (beide Violine), Tomoko Akasada (Viola) und Yves Sandoz (Violoncello) - mit Feuer und Leidenschaft. Eine sehr präsente Bratsche, ein singendes Cello und virtuose Geigen prägen den 1. Satz, dessen jubelnder Gestus sich immer wieder Bahn bricht. Das folgende Menuetto kommt gesammelt, aber nicht immer ganz fokussiert. Voller Charme und Anmut schließt sich der dritte Satz an, duftig zart über sanftem Cello-Pizzicato. Das abschließende Presto bringt ein virtuoses Auftrumpfen, im eindrucksvollen Wechsel mit wie nachsinnenden Passagen. Insgesamt zeichnet das Ensemble ein geerdeter, eher nach innen gerichteter Klang aus, der nicht auf äußere Brillanz setzt.

Nach der Pause darf man zunächst wieder dem verbalen Austausch der Komponisten lauschen. Da zieht Schumann Parallelen zwischen Beethoven und Jean Paul, einem seiner Lieblingsdichter, ein Artikel aus seiner "Neuen Zeitschrift für Musik", der eher literarisch als journalistisch zu nennen ist, schwärmt Mendelssohn im Brief an seine "liebste (Schwester) Fanny" von einem jungen polnischen Pianisten, der "ein ordentlicher Musiker und kein bloßer Virtuose" sei, gefolgt von einem Artikel Schumanns über eben diesen, nämlich Chopin, der dessen Größe wie seine Schwächen beleuchtet. Das ist charakteristisch für beide: Mendelssohns anekdotisch-lakonischer Stil, Schumanns dezidiertes Abwägen auf höchstem sprachlichen Niveau.

Die Überleitung zur Musik liefert ein schöner Ausspruch Mendelssohns: Es werde soviel über Musik gesprochen - und so wenig gesagt. Wenn die Worte hinreichten, würde er nie mehr komponieren. Es folgt: Musik. Und der Abgang der beiden "Komponisten", die den Musikern einen liebevoll versonnenen Abschiedsblick schenken. Trotz der Kritik aus berufenem Munde dazu noch ein paar Worte: Wie ein zartes Klagelied, sehr poetisch hebt Schumanns Streichquartett a-Moll an, von innen heraus leuchtend, mit exzentrischen Ausbrüchen. Ein sehr prägnanter Rhythmus überfällt den Zuhörer im zweiten Satz und elektrisiert ihn. In das Adagio schleicht sich das Cello verstohlen hinein, die anderen trippeln nach. Ein sehr nachdenklicher Satz, in den das Cello einen aufbegehrenden Klageton bringt, der hernach durch die Instrumente wandert. Ausgelassen schließt das finale Presto an, fast ein wenig zu betont heiter, als gelte es, verborgenen Kram zu übertönen. Packend, ausdrucksvoll, vielschichtig.

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