Naturschutz an der Oberen Isar:Die Wilde braucht Ruhe

Die einzigartige Landschaft ist durch Ausflügler und Touristen gefährdet, die gerade von dieser urwüchsigen Natur angezogen werden. Amtliche Ranger und ehrenamtliche Flussretter sorgen vor.

Von Irmgard Grasmüller

Die Obere Isar zwischen Krün und dem Sylvensteinspeicher ist etwas Einzigartiges: die letzte alpine Wildflusslandschaft Deutschlands. Im Winter führt sie relativ wenig Wasser, im Sommer umso mehr. "Mit jedem Hochwasser verändert sie ihren Flusslauf", sagt Franz Speer, stellvertretender Vorsitzender des Vereins "Rettet die Isar jetzt". Er ist fasziniert von dem Gewässer, man sieht es ihm an, wenn er davon spricht.

Naturschutz an der Oberen Isar: Für Erholungssuchende ist die Obere Isar besonders attraktiv. Wenn sie sich umsichtig verhalten, ist das auch kein Problem. Rücksichtsloses Auftreten aber kann die einzigartige Wildflusslandschaft schädigen.

Für Erholungssuchende ist die Obere Isar besonders attraktiv. Wenn sie sich umsichtig verhalten, ist das auch kein Problem. Rücksichtsloses Auftreten aber kann die einzigartige Wildflusslandschaft schädigen.

"Es ist eine Chaoslandschaft, die dort besteht", erklärt er: Lebensraum für zwei einzigartige Naturgeschöpfe - die Deutsche Tamariske und die Gefleckte Schnarrheuschrecke. Beide können nur überleben, wenn es immer wieder zu Überschwemmungen kommt. Sobald sich die Isar beruhigt, breiten sich sofort wieder Weiden und Erlen aus und verdrängen diese beiden einmaligen Vertreter der Wildflusslandschaft.

Ausflügler lernen diese Einzigartigkeit, dieses Naturschauspiel immer mehr zu schätzen. Zunehmend erobern sie sich die Isarauen. Die ehrenamtlichen Naturschützer und die amtlichen Isar-Ranger sehen das nicht gern. Der Ausflugsboom, der sich zunächst überwiegend auf Schäftlarn, Icking und die Pupplinger Au konzentrierte, verlagert sich jetzt an die Obere Isar. "Man kann bald nicht mehr von einem Naturschutz- beziehungsweise Landschaftsschutzgebiet sprechen, unsere Isar wird mehr und mehr zum Freizeitpark", sagt der neue Isar-Ranger Kaspar Fischer. Es gebe viele Naturliebhaber, die das Schauspiel schätzten und ehrten.

Aber eben auch einige überhebliche. Sie zahlten die Maut und meinten, damit die Erlaubnis erhalten zu haben, überall zu parken und zu nächtigen. Es gebe sogar Camper, die jedes Wochenende erschienen und sich die schönsten Plätze schon untereinander aufgeteilt hätten, ergänzt Hannah-Sophie Kock, die zweite Neue im Team der Isar-Ranger für den südlichen Bereich. Die Isar brauche dringend ihre Ruhepausen. Manche machten auch Feuer oder grillten - beides natürlich untersagt.

Sind Isar-Besucher uneinsichtig, nehmen die Rangern die Personalien auf, machen Fotos und leiten die Angaben an Landratsamt oder Polizei weiter. Dort werden Bußgelder und Verwarnungen ausgeschrieben. Voyeure und Spanner gibt es an der Oberen Isar kaum. Aber der Lärm sei ein Problem, sagt Speer: "Wenn einer eine Musikanlage aufbaut, kann man nicht rechtlich dagegen vorgehen. Da gibt es noch kein Gesetz dagegen."

Manchmal seien es Konfliktsituationen, oftmals aber auch nur Mangel an Wissen und Verständnis, so Kock. Es gebe Kiesbänke, wo Vögel direkt auf dem Boden nisteten. Manche Spaziergänger nähmen die aufgestellten Schilder aber nicht ernst. Umso schöner sei es, wenn man als Isar-Ranger einen Passanten antreffe und ihm einen nistenden Vogel zeigen könne, sagt Kock. "Dann lernt er sofort die Landschaft richtig verstehen."

Die Ranger werben um Verständnis bei Erholungssuchenden; "Rettet die Isar jetzt" bei deutschen und österreichischen Behörden, damit der Isar wieder mehr Wasser zugeführt wird. Anfang des vergangenen Jahrhunderts war auf österreichischer Seite der Walchenauslauf aus dem Achensee gestoppt worden. Auch der Zulauf der Dürrach fehlt, da ihr Wasser unterhalb der Dürrach-Talsperre unterirdisch in den Achensee abgeleitet wird. "Unsere Hoffnung ist, dass wir die Österreicher dazu bewegen können, wieder eine ökologisch vertretbare Restwassermenge in die Dürrach ganzjährig abzugeben", sagt Franz Schöttl, Vorsitzender von "Rettet die Isar jetzt" und Zweiter Bürgermeister von Lenggries. Doch die Österreicher hängen zu sehr an der Wasserkraft. "Jeder Kubikmeter Wasser, den sie nicht erhalten, bedeutet weniger Strom für sie, gleichermaßen aber auch weniger Wasser für die Isar."

Auch das Weideprojekt soll helfen, das Urwüchsige der Oberen Isar zu erhalten. Auf Höhe der Isarburg sind bereits temporär Ziegen und Schafe angesiedelt. Sie sollen Stauden zusammenfressen und so dafür sorgen, dass die für Lenggries typischen Flächen mit Gries (Sand, Kies) nicht zuwachsen. Schließlich haben sie der Gemeinde ihren Namen verliehen. Der wird abgeleitet von "Langen Gries". Da die Erfolge der Beweidung sehr zufriedenstellend sind - der Holz- und Graswuchs konnte eingedämmt werden - hofft man auf die Teilnahme an einem weiteren Projekt. Falls das sogenannte "Hotspot-Projekt Alpenflusslandschaften" genehmigt würde, könnte etwa von 2015 an die Beweidung weiterer Griesflächen finanziert werden. Gedacht ist an Weideflächen am Ochsensitzer, an der Bretonenbrücke oder auf Höhe des Moralt-Gewerbegebiets in Bad Tölz.

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