Nach mehr als 200 Programmen ist im ehemaligen "Mariandl" Schluss:Der Kellermeister

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Karl-Otto Saur beendet seine Kultur-Reihe. Für die letzten beiden Abende hat er sich noch einmal etwas Stimmiges einfallen lassen.

Von Stephanie Schwaderer, Schäftlarn

Reden kann er, weit, weit ausholen und dann die Geschichten wieder auf den Punkt bringen, wie ein Zauberer, der am Ende einer fulminanten Show eine weiße Maus aus dem Zylinder zieht. Auch als Gastgeber verfügt Karl-Otto Saur, langjähriger SZ-Redakteur und Leiter des Spiegel-Kulturressorts, über magische Fähigkeiten: Mehr als 200 Mal ist es ihm in den vergangenen 20 Jahren gelungen, eine stillgelegte Kellerkneipe in Ebenhausen in etwas zu verwandeln, was man einst einen "Salon" nannte: einen Treffpunkt für Regisseure und Autoren, Schauspieler, Musiker und Intellektuelle, die sich lustvoll mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen. Das wird bald Vergangenheit sein: Zweimal soll es "Kultur im Keller" noch geben, dann ist Schluss.

Die Erklärung dafür fällt denkbar kurz aus: "Ich werde im März 74", sagt Saur, "man soll sich als Alter nicht für unentbehrlich halten." An diesem Donnerstag, 18. Januar, wird er noch einmal die von ihm begründete Tradition pflegen und ein zeitgeschichtliches Thema aus der Nachbarschaft aufgreifen, das überregionale Bedeutung hat. Im Mittelpunkt des Abends steht eine jüngst erschienene Biografie über Reinhard Gehlen, der erst für die Nazis Chef der Ost-Spionage war und später mit Unterstützung der Amerikaner den Bundesnachrichtendienst (BND) aufbaute. Der Militärhistoriker Rolf Dieter Müller hat für sein 1300 Seiten dickes Werk "Reinhard Gehlen - Geheimdienstchef im Hintergrund" (Links Verlag, Berlin, 98 Euro) akribisch recherchiert und viele Akten ausgewertet, die bislang als geheim eingestuft waren.

Saurs Lebens- und Familiengeschichte ist eng mit dem BND und der erstaunlichen Kontinuität verbunden, in der der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik stand. Sein Vater, er hieß ebenfalls Karl-Otto, leitete von 1941 bis 1945 das Hauptamt für Technik im NS-Rüstungsministerium und war einer der engsten Vertrauten Adolf Hitlers. Saur kam als Fünfjähriger nach Pullach. Die einstige NS-Mustersiedlung wurde später zum Hauptquartier des BND umfunktioniert. Gehlen leitete von dort aus 6000 Mitarbeiter, blieb jedoch nahezu unsichtbar.

Saur saß schon in seiner Schulzeit in Icking neben Kindern, deren Väter streng geheimen Tätigkeiten nachgingen. Die Schwester seines besten Schulfreundes, erzählt er, habe einen Sohn Reinhard Gehlens geheiratet: "Er hat mir damals die Hochzeitsbilder gezeigt, ich war einer der wenigen Menschen, die Gehlens Gesicht kannten." Nach Jahren in München sei es "reiner Zufall" gewesen, dass er 1995 auf die markante Villa am Rodelweg 10 in Ebenhausen stieß und sie zum neuen Büro und Familiendomizil erkor. Erst später habe er erfahren, dass der BND dort 25 Jahre lang seine Gastspione untergebracht hatte. "Der Keller sah damals genauso aus wie heute", sagt Saur. "Nur einen fürchterlich versifften Teppich haben wir rausgeschmissen."

Zu Saurs Stammgästen und Freunden zählen Klaus Doldinger, Matthias Brandt und Oliver Storz (von links). (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Idee, im sogenannten "Mariandl" Kulturabende zu organisieren, brachte Saurs Tochter Daniela ins Spiel. Gemeinsam quetschten Vater und Tochter 60 Stühle in das schlauchförmige Gewölbe mit Bar. Der erste Gast: Oliver Storz, Regisseur aus Deining. Die technische Ausstattung: eine Zumutung. "Storz musste während der Vorführung in den Garten gehen, weil er es nicht mehr ertragen hat", erinnert sich Saur vergnügt. "Aber die anschließende Diskussion hat ihn versöhnt. Er wurde mein häufigster Gast. Alle seine weiteren Filme hatten bei uns Premiere."

Storz ist 2011 gestorben. Auch viele andere prominente Keller-Gäste der ersten Stunde sind längst tot: Wolf Euba und Jörg Hube, Hans Abich, Hans Ulrich Kempski oder Herbert Riehl-Heyse. Letzterer sei "zu früh gestorben", konstatiert Saur. "Bei den anderen habe ich gewusst: Wenn du sie noch haben willst, musst du dich beeilen." Stolz macht ihn, dass sie alle dagewesen sind - und dass er in den 20 Jahren nur drei Absagen bekommen habe: Von Loriot, von Sepp Bierbichler und von Katja Riemann.

Neben 200 inspirierenden Abenden und vielen interessanten Begegnungen hat die Keller-Kultur dem Gastgeber drei Freunde fürs Leben beschert: Oliver Storz, Schauspieler Matthias Brandt und Jazzmusiker Klaus Doldinger. Doldinger soll auch der letzte Gast sein am 15. April, wenn Saur Rückschau halten und noch einmal den Beamer anwerfen wird. Auf dem Programm: Die Verfilmung der "Freibadclique" (2017) - nach einem Roman von Oliver Storz. "Damit schließt sich ein Kreis."

Donnerstag, 18. Januar, 20 Uhr, Restplätze unter saur@kontor.de oder Telefon 08178/93 08 19

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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