Musik-Kabarett am Ufer der Loisach:Stichelnde Schwesterherzen

Die "Wellküren" können eines am Besten: die Absurditäten des Alltags entlarven, auch wenn dies manchmal auf dem Flussfestival in Wolfratshausen ein wenig klischeehaft daherkommt

Von Petra Schneider, Wolfratshausen

Wolken haben sich am Freitagabend zu einer bedrohlichen Wand geballt, Unwetter sind angesagt. Beim Flussfestival ist die Stimmung trotzdem sonnig. Das Sydney-Dach halte bis Orkanstärke 12, versichert Festivalleiter Günter Wagner, schlimmstenfalls müsse man die Bühnenwand aufmachen, damit der Wind durch könne. Alles kein Problem. "Sie bleiben einfach sitzen", sagt er zu den gut 400 Leuten im Publikum, die gekommen sind, um die Wellküren auf der Flussbühne in Wolfratshausen zu sehen. Auch die sind zuversichtlich, "wenn mir spuin, dann regnets ned", sagt die Moni.

Vermutlich können klimatische Störungen so gestandene Frauen wie die Well-Schwestern auch gar nicht beeindrucken: Denn die werden locker mit Klimakterium, Männern mit hormoneller Demenz oder Thermomix-Geräten fertig, zur Not hilft das "Wisching Well", ein Mikrofaserwundertuch, das es am Merchandising-Stand tatsächlich zu kaufen gibt. Seit 29 Jahren stehen die Wellküren auf der Bühne, die Kinder sind inzwischen aus dem Haus, die Ehemänner auch. Zeit, um abzurechnen. Und das machen die Moni, die Bärbi und die Burgi so unverblümt und rotzfrech, da können sie noch so harmlos auf der Bühne stehen, in ihren bunten Dirndln. "Herz sticht" heißt ihr aktuelles Programm, und sticheln können diese drei Schwesterherzen, dass es eine Freude ist.

Vor allem Ehemänner kriegen ihr Fett ab, weil sie "des Mei ned aufkriegen", schnarchen, "dass ma fast an Tinnitus kriegt", und Unmengen von Bügelwäsche produzieren. Die Rollen in dieser Frauenpower-Truppe sind klar festgelegt, was dem Programm Profil und wohltuende Selbstironie verleiht: Moni, die jüngste der 15 Well-Geschwister, die lachen und fluchen kann wie ein Bierkutscher und auf ihr Hackbrett eindrischt, bis es tatsächlich zu rauchen beginnt. Burgi, die so gerne kocht und eines richtig gut kann: verlieren. Und Bärbi, die "Frau Diplomsozialpädagogin" mit Hang zur Homöopathie, die sich mit Unschuldsmiene zur "Bavarian Sexmachine" wandelt. Die Well-Schwestern sind weniger politisch, als es ihre Brüder von der Biermösl Blosn waren. Und wenn, dann geht es selten um aktuelle Inhalte und mehr um Köpfe. Besonders an Christine Haderthauer arbeiten sie sich ab: "Mia san heilfroh, dass die weg ist. Die hat ned nur Haar auf de Zähn, da hat jeder Zahn eine eigene Frisur." Die Wellküren sind stark bei Alltagsthemen: Yoga-Mütter und Laktoseintoleranz, die leidige Frage "I woaß ned, was i kocha soll", Älterwerden, Geschlechterkampf. Manches ist klischeehaft, aber so geradlinig und temperamentvoll, dass es Spaß macht. Der Bayer könne sowieso nicht über das Hirn erreicht werden, sondern nur über das Herz und über Stubenmusik, die die Well-Schwestern famos beherrschen: Mit wuchtigen Blasinstrumenten werden sie ebenso locker fertig, wie mit niedlich-bunten Ukulelen. Landler und Dreigesang beherrschen sie genauso, wie "Highway to Hell" in ihrer ganz eigenen Version oder die Bayernhymne, die das Publikum geschlossen mitsingt. Das sei im Übrigen an allen Spielorten so gewesen, erzählt die Moni. "Sogar in Hessen."

Star des Abends ist eine Nonnentrompete - ein eigentümliches Streichdings mit aufgeschraubtem Trompetentrichter, das klingt wie ein kratziges Grammofon und bei "Spiel mir das Lied vom Tod" für das richtige Gänsehautfeeling sorgt. Die Zuschauer amüsieren sich prächtig und lassen sich auch von Wind und Starkregen nicht beeindrucken, der nach der Pause doch noch über die Floßlände fegt. Auch die lokalen Bezüge kommen gut an, die die drei Oberschweinbacherinnen immer wieder einstreuen: die Gstanzl über den Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller zum Beispiel, "die lare Hosn". Oder über die Gastgeberstadt, die schon mal prophylaktisch gestutzt wird: "Wolfratshausen denkt jetzt, es sei eine richtige Stadt, bloß weil es ein Flussfestival hat."

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