Münsing:Vorsichtige Annäherung

Münsing: Das Café der Begegnung wird veranstaltet vom Pfarrgemeinderat und dem Helferkreis Asyl.

Das Café der Begegnung wird veranstaltet vom Pfarrgemeinderat und dem Helferkreis Asyl.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In Münsing findet das erste "Café der Begegnung" mit Asylsuchenden statt. Ein Faschingsfilm zum Warmwerden

Von Wolfgang Schäl, Münsing

Drei Dinge sind es, die Ali, Hamit und Kemal miteinander verbinden: Sie sind gerade 18 Jahre alt geworden, sie haben sich ohne ihre Familien zu Fuß auf den Weg gemacht von Afghanistan nach Deutschland. Und: Man darf auf keinen Fall ihre wirklichen Namen nennen. Obwohl die jungen Männer selbst gern dazu bereit sind, ihre Namen samt genauem Herkunftsort in Afghanistan spontan und arglos auf den Block zu schreiben, interveniert Regina Reitenhardt energisch. "Das Internet!", warnt die Münsinger Gemeinderätin, die sich unermüdlich im örtlichen Helferkreis für die Belange der Asylbewerber engagiert. Die Gemeinde in Verbindung mit den wirklichen Namen, das könne genügen, um Gefahren heraufzubeschwören, der Arm der IS-Terroristen ist lang.

Samstagnachmittag im Münsinger Pfarrsaal: Es ist alles liebevoll hergerichtet in diesem Raum, der für zwei Stunden zu einem "Café der Begegnung" für die derzeit 33 Asylbewerber umfunktioniert worden ist. Draußen ist es winterlich kalt und ungemütlich, drinnen wohlig warm. Plätzchen und Kuchen, spendiert von der örtlichen Bäckerei, Kaffee, Tee, Luftschlangen und Kerzen auf den Tischen, dazu allerlei Brettspiele zum Zeitvertreib. Der Saal ist komplett besetzt, es sind erkennbar mehr Gemeindebürger gekommen, die ihr Interesse und ihre Solidarität bekunden wollen, als Flüchtlinge. Überwiegend sind es junge Männer, die etwas schüchtern mittendrin und eng aneinander gedrängt der Dinge harren. Um etwas vom hiesigen Leben zu vermitteln, zeigt der Helferkreis einen halbstündigen Film über den letzten Münsinger Faschingszug. Allerlei verkleidete Gestalten springen da in der Hauptstraße herum, bunt verkleidete Twist-Tänzer, Urzeln und Perchten, Clowns, Sträflinge, Scheichs, Traktoren ziehen Themenwagen mit Transparenten, allerlei Spott mit lokalem Bezug - man kann nicht annehmen, dass die Adressaten im Pfarrsaal etwas davon verstehen. Sie nehmen das alles schweigend und regungslos zur Kenntnis. Es ist ja auch nur der Versuch, ein wenig Atmosphäre zu vermitteln, Szenen aus dem hiesigen Leben zu zeigen.

Es gilt, das Eis zu brechen. Auch für die hiesige Bevölkerung, sagt Reitenhardt. Und deshalb soll das Café der Begegnung auch zur festen Einrichtung werden. Vierzehntägig, gleicher Ort, 14 bis 16 Uhr. Gäste und Einheimische sollen möglichst viel miteinander reden, denn die Konversation gestaltet sich noch schleppend und schwierig. Obwohl Ali, Hamit und Kemal vergleichsweise gut Deutsch sprechen, sind Missverständnisse programmiert.

So kommt Hussein Sarfraz, der wirklich so heißt, als Dolmetscher wie gerufen. Er stammt aus Pakistan, lebt seit 45 Jahren als Selbständiger in Deutschland, ist hier sogar schon vorzeitig in Rente und nutzt jetzt die freie Zeit, um sich der Asylbewerber anzunehmen. "Wenn die mich brauchen", sagt er, "bin ich jederzeit da." Er selbst war auch erst 17, als er nach Deutschland kam.

Die drei Asylbewerber versuchen, hier mit einer Ausbildung Fuß zu fassen, besuchen die Tölzer Berufsschule. Automechaniker, Elektriker, das ist es, was ihnen vorschwebt. Ihre Lage hat sich etwas verschlechtert, seit sie in Deutschland vor einigen Wochen 18 Jahre alt geworden sind und damit rechtlich nicht mehr als unbegleitete minderjährige Jugendliche gelten. Sie wurden von Bad Tölz nach Münsing verlegt, wo sie derzeit keinen eigenen Raum mehr haben, sondern im Gemeindesaal übernachten müssen. Hamit sagt, dass er hier schlecht schlafen kann, wegen der Familien mit Kindern, die in der Nacht oft laut sind. Morgens muss er früh aufstehen und unausgeschlafen zur Schule. Probleme bereiten auch die öffentlichen Verkehrsmittel von Wolfratshausen nach Münsing - in den Nachmittags- und Abendstunden ist oft kein Bus verfügbar. Da heißt es dann lang warten oder zu Fuß gehen. Die Drei stellen das nur auf Nachfrage fest, Kritik üben sie von sich aus nicht.

In welcher inneren Verfassung sich Ali, Kemal und Hamit befinden, lässt sich schwer ergründen. Sarfraz glaubt, ihre Stimmung, aus eigener Erfahrung zu kennen. Die Menschen, die sich hierzulande um Flüchtlinge bemühen, lobt er in den höchsten Tönen - kein Land irgendwo auf der Welt leiste für sie mehr. Hier lebe auch er gern und gut, hier ist seine Familie. "Aber meine Seele, die ist in Pakistan", sagt er. "Nur dort findet sie Ruhe." Davon allerdings wollen die drei jungen Männer jetzt gar nichts wissen. "Wir wollen hier bleiben", stellen sie kategorisch fest. Und diesen Satz muss man vor ihren Augen auch aufschreiben.

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