Serie: Tierisch kalt:Geflügelte Touristen

Wasservögel am Starnberger See

Die Reiherente ist eine von mehr als 30 Wasservogelarten, die aus Nordeuropa und Russland an den Starnberger See ziehen, um an seinen Ufern zu überwintern. An schönen Tagen sind dort bis zu 20 000 Tiere zu beobachten.

(Foto: Andrea Gehrold/OH)

Der Starnberger See wird jeden Winter von 20 000 Gästen aufgesucht: Zugvögel aus Skandinavien, Russland und dem Baltikum nutzen das Gewässer als wärmere Unterkunft. In ihren Nahrungsgründen brauchen sie vor allem Ruhe.

Von Thekla Krausseneck

Wer 5000 Kilometer weit geflogen ist, hofft auf besseres Wetter. Zum Glück ist die Schellente hart im Nehmen: Schnurgerade zieht sie über den Starnberger See, ganz so, als peitschte der Wind nicht rundum die Wellen hoch. Andrea Gehrold, die für den Landesbund für Vogelschutz (LBV) den Starnberger See im Blick hat und mindestens genauso robust ist wie die Schellenten, folgt dem Tier durch ihr Fernrohr, ohne sich am strömenden Regen zu stören. "Die ist ganz schön flink unterwegs", sagt die Ornithologin. Dennoch: Der dicke markante Kopf mit dem weißen Fleck und diese stierenden gelben Augen, die der Schellente im Englischen den Namen "Goldeneye" eingebracht haben, sind unverwechselbar.

Die Schellente ist eine von 20 000 tierischen Touristen am Starnberger See. Im Herbst des vergangenen Jahres haben sie sich aus ihren Brutgebieten in Skandinavien, Russland oder dem Baltikum aufgemacht, um sich eine wärmere Unterkunft für den Winter zu suchen, und sind nach tausenden Kilometern am Ufer des Voralpengewässers gelandet. Nur etwa fünf Prozent der Vögel, die im Winter am Starnberger See beobachtet werden können, seien keine Zugvögel, schätzt Gehrold. Die hiesigen Sommervögel indes halten sich derzeit wie die meisten mitteleuropäischen Vogelarten im Süden auf.

Es ist wie ein Kompromiss: Im Sommer gebe es am See nur rund 1000 Wasservögel, sagt Gehrold, denn da gehöre der See den Menschen. Im Winter nehmen ihn die Vögel ein, um die kalten Monate durchzustehen. Gefährlich werden kann ihnen dann die eigene Schreckhaftigkeit: Ein einziger Wassersportler reiche aus, um tausende Vögel aus Nahrungsgründen wie der Roseninselbucht zu vertreiben. "Auch wenn sie wiederkommen, das kostet sie Energie", sagt Gehrold. Und davon hätten die Vögel im Winter wegen der Temperaturen und des geringen Futterangebots ohnehin zu wenig. Die Segler am Starnberger See zeigten sich kooperativ und verzichteten freiwillig darauf, im Winter auszufahren: "Das ist ganz toll bei uns." Die privaten Wassersportler wie Stehpaddler seien dagegen schwerer zu erreichen. Eine Gefahr für die geschwächten Tiere, die zunimmt: Neoprenanzüge machen Winterwassersport für jeden Menschen möglich. Im Internet informiert der LBV deshalb über Winterruhezonen.

Von den rund 50 Wasservogelarten, die es bundesweit gibt, überwintern mehr als 30 am Starnberger See. Eine Besonderheit etwa im Vergleich zum Ammersee sei, dass darunter auch See-, Pracht- und Sterntaucher seien. Die auffallend hübsch schwarz und weiß gemusterten Prachttaucher brüten in der Tundra und der Taiga, im europäischen Binnenland seien sie sehr selten zu beobachten, sagt Gehrold. Am Starnberger See gebe es aber in manchen Wintern sogar mehrere Dutzend.

Am liebsten mögen Vögel wie die Schellente oder der Prachttaucher das Gewässer, weil es im Winter nicht so schnell zufriert wie etwa der Walchensee. Das Futterangebot ist gut, für Vegetarier genauso wie für Vögel, die gerne nach Muscheln, Schnecken oder Insektenlarven tauchen. Die aus Nordeuropa angeflogene Kolbenente - gut erkennbar an ihrem knallroten Schnabel - frisst nur Wasserpflanzen und Algen, die den Boden des Starnberger Sees bedecken. Wie Gras auf einer Wiese wird das dunkle Gestrüpp in den Wintermonaten abgeerntet, ehe es im Frühjahr nachwächst. Die Tafelente frisst zwar auch gerne Wasserpflanzen, mischt aber tierische Bestandteile darunter. Und die Reiherente, die mit bis zu 900 000 Exemplaren ganzjährig überall in Europa anzutreffen ist, verzichtet am liebsten gänzlich auf vegetarische Kost. Verhungern muss am Starnberger See kein Vogel. Und so können die Wintergäste im März gestärkt in ihre Brutgebiete zurückkehren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: