München/Wolfratshausen:"Das war eine Hinrichtung"

Das Münchner Oberlandesgericht versucht zu klären, wer 1983 den kroatischen Dissidenten Stjepan Durekovic in Wolfratshausen ermordet hat. Das könnte sich als schwierig erweisen

Von Wolfgang Schäl, München/Wolfratshausen

Die detaillierte Untersuchung des Wolfratshauser Tatorts stand am Dienstag im Mittelpunkt des derzeit laufenden Kroatenmord-Prozesses. Es war der vierte des auf 50 Verhandlungstage angesetzten Mammutprozesses, in dem die 7. Strafkammer des Münchner Oberlandesgerichts versucht, die Hintermänner der brutalen Tat am 28. Juli 1983 zu ermitteln. Der Exilkroate war in einem rückwärtigen Garagenraum an der Sauerlacher Straße 1 erschossen worden, zusätzlich hatten die Täter, die niemals gefasst wurden, ihrem Opfer den Schädel eingeschlagen.

Verantworten müssen sich wegen Beihilfe zum Mord an dem kroatischen Dissidenten Stjepan Durekovic der ehemalige Geheimdienstchef Zdravko Mustac, der die Bluttat in Auftrag gegeben haben soll, und dessen damaliger Untergebener, der Führungsoffizier Josip Perkovic, der nach Meinung der Bundesanwaltschaft Drahtzieher des verhängnisvollen Komplotts war. Ein Mittäter, der Geretsrieder Krunoslav P. ist 2008 wegen Beihilfe zum Mord bereits zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Bei der Vernehmung der Zeugen wurde schnell klar, worin die beiden Hauptprobleme des juristischen Großunternehmens bestehen: Die Tat liegt 31 Jahre zurück, und die geladenen deutschen Zeugen, Polizeibeamte, Ermittler der Kripo Weilheim und der Notarzt, der damals an den Tatort gerufen wurde, sind längst pensioniert, erschienen mit schlohweißem Haar vor Gericht und konnten sich an vieles nicht mehr erinnern. Das andere Problem ist die nach wie vor mangelnde Kooperationsbereitschaft der kroatischen Behörden, die nach den Worten des Vorsitzenden Richters Manfred Dauster Zeugenladungen nicht zustellen, aber auch das Verhalten der kroatischen Zeugen selbst, die sich "totstellen", wie es Dauster formulierte. Er sei ernsthaft besorgt, sagte der Richter, wie er das ab Januar vorgesehene Vernehmungsprogramm durchziehen solle, wenn er bis jetzt nur einen einzigen Ladungsnachweis von einem Zeugen erhalten habe. Ohnehin waren die beiden Angeklagten nur auf massiven politischen Druck der EU an die deutschen Behörden ausgeliefert worden. Die kroatische Regierung hatte versucht, dies mit einer kurzfristigen Gesetzesänderung zu verhindern.

München/Wolfratshausen: In einem rückwärtigen Garagenraum an der Sauerlacherstraße wurde der Dissident brutal ermordet.

In einem rückwärtigen Garagenraum an der Sauerlacherstraße wurde der Dissident brutal ermordet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Viele Details des Mordes sind trotz allem aktenkundig, vor allem dank des ältesten Zeugen, des 77-jährigen Weilheimer Kriminalbeamten Reinhold F. Er zeichnete gemeinsam mit dem Landeskriminalamt für die Tatortarbeit und die Spurensicherung verantwortlich und überraschte das Gericht mit erstaunlichen Detailkenntnissen. Seine Schilderungen und die Aussagen des damals aus dem Wolfratshauser Kreiskrankenhaus gerufenen Notarztes Manfred A. waren nichts für zarte Gemüter und bestätigten, was zu Beginn schon ein Beamter der Wolfratshauser Polizeiinspektion festgestellt hatte: Er habe über die Jahre "den bleibenden Eindruck" im Kopf behalten, so Marinus S., "dass das eine Hinrichtung war".

Weitgehend überflüssig war aus Sicht des Notarztes, die Leiche überhaupt genau zu untersuchen. Der gespaltene Schädel habe in einer Blutlache gelegen, auf den ersten Blick habe das Opfer sicher zwei Liter Blut verloren. Das allein schon sei tödlich. Er habe deshalb "nur das Allernotwendigste" getan, um den Tod festzustellen. Das der Mann nicht mehr lebte, sei einfach augenfällig gewesen. Ob er Durekovic auf Leichenflecken untersucht habe, wusste der Mediziner nicht mehr genau, wohl aber der 77-jährige Kriminalbeamte, der den Tatort fotografisch dokumentiert hatte und die Lage der benutzten Projektile und die Blutspuren genau beschreiben konnte. Er äußerte die Überzeugung, dass mindestens zwei Täter an dem Mord beteiligt waren. Die Verhandlung wird am 11. November fortgesetzt.

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