Mitten in Wolfratshausen:Helden der Ansteckung

Wer sich hustend ins Büro schleppt, wird nicht unbedingt freudig begrüßt

Von Claudia Koestler

Schon ist es wieder rum ums Eck, das Fest der Feste. Die Schokoweihnachtsmänner harren ihrer Wiederauferstehung als Osterhasen, und für den Konsumenten gilt, den Schalter von Besinnlichkeit blitzschnell auf Jahresendzeitpartystimmung zu legen. Doch statt Euphorie, guter Vorsätze und frischem Schwung durchzuckt dieser Tage etwas anderes den Körper vieler: Der Hals kratzt, die Nase kribbelt, die Augen tränen. Trockener Husten bricht unkontrolliert aus den Tiefen der Bronchien hervor. Kalter Schweiß steht auf der Stirn, die Glieder schmerzen, als ob man von einem Omnibus überrollt worden sei. Hört man zumindest die Mitmenschen aus dem unmittelbaren Familien- und Bekanntenkreis berichten, manchmal erzählen sie es auch aus eigener leidvoller Erfahrung.

Diese Mitmenschen leiden meist an grippalen Infekten, gemeinhin aus "Katarrh" genannt. Und so bleibt nach dem großen Weihnachtsgeschenkefestival bei den meisten nur einer übrig, ein ganz großer Wunsch: schnell zurück ins Bett und das Ganze mit heißer Zitrone, Hühnerbrühe oder den gängigen pharmazeutischen Keulen auszukurieren.

Wenn, ja wenn da bloß nicht der Job wäre. Die unerledigten Aufgaben, die wahnsinnig wichtigen Meetings. Außerdem hatte man doch gerade erst zwei Wochen Urlaub! Was würden denn die Kollegen sagen, wenn man jetzt zu Hause bliebe? Und die Vorgesetzten erst? Man ist schließlich kein Weichei. Also, sagen sich viele, gilt es wie immer die Zähne zusammenzubeißen, einer muss ja die Stellung halten. Deshalb trotzen sie den Bazillen und Viren mit purer Willenskraft und schleppen sich mit letzter Kraft ins Büro. Die Losung heißt Tod oder Gladiolen, auch wenn man sich entsetzlich elend dabei fühlt.

Doch ganz ehrlich, auch das muss gesagt werden: Wenn jene Helden der Jahreszeit und der Grippewellen dann das Büro betreten, applaudiert niemand. Gar nicht mal, weil die Kollegen alle gerade ausgeflogen sind, krankgeschrieben wegen Grippe. Nein, vielmehr, weil die Kollegen für jene heroischen Leistungen des Angeschlagenen statt Applaus meist gar nicht anerkennende Worte übrig haben: "Toll, dass Sie da sind. Wollen Sie mich etwa anstecken?"

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