Mitten in Reutberg:Flüssige Dividende

Wer Genosse eines Braubetriebs ist, dem wird die Gewinnbeteiligung im Wortsinn ausgeschüttet

Kolumne von Felicitas Amler

Die Nonnen gehen, die Genossen kommen: Nein, das ist kein Trend von sehr konservativ zu äußerst fortschrittlich ausgerechnet im beharrlich schwarzen bayerischen Oberland. In Reutberg zeigt sich so vielmehr die exakt gegenläufige Entwicklung des Klosters einerseits und der Brauereigenossenschaft andererseits. Denn in dem erhaben auf einer Anhöhe über dem Kirchsee thronenden Anlage ist die 400 Jahre alte Tradition der Klosterschwestern im Niedergang, während die dort erst 341 Jahre alte Tradition des Bierbrauens eine ungeheure Blüte erlebt. Nur noch zwei Franziskanerinnen gehen in strenger Klausur ihrer kontemplativ-spirituellen Bestimmung nach, aber 5230 dem Weltlichen zugewandte Genossen halten den Braubetrieb am Laufen. Und vor der Tür der Klosterbrauerei stehen so viele Schlange, die auch mitzapfen möchten, dass schon eine Warteliste angelegt werden musste. Was so reizvoll sein mag an einer genossenschaftlichen Beteiligung in Reutberg? Nun, da gibt es erstens die ideellen Attraktionen, derer ein Genosse teilhaftig wird, die rustikal-folkloristischen Geselligkeiten beim Josefifest: das Wiagsogschneiden der Landjugenden und Burschenvereine (zu Hochdeutsch: eine schweißtreibende Hin- und Hersägerei an einem Baumstamm), das Schafkopfrennen und das Preisgrasobern (altbayerische, teils nicht ins Hochdeutsche zu übersetzende Kartenspiele) und den großen Festabend. Der ist heuer - klar, es ist ja Wahljahr - der CSU und ihrem MP-Kandidaten Markus Söder vorbehalten. Aber mit den ideellen Reizen ist es beileibe nicht getan. Für Reutberger Genossen gibt es selbstverständlich auch materielle Attraktionen. Die Dividende, die hier im Wortsinn ausgeschüttet wird: zwei Mass Bier, dazu ein Essen. Prost, Mahlzeit! Und: Gott erhalt's! Wenn schon nicht das Kloster, dann doch wenigstens das Bier.

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