Mitten in Lenggries:Der an die Grenzen geht

Da begibt man sich an die äußerste Grenze des Landkreises. Und dann ist man doch nicht der Erste

Von BENJAMIN ENGEL

Jeder Journalist träumt davon, als erster über Neuigkeiten zu berichten. Dafür steht der Topos des rasenden Reporters. Unter diesem Beinamen ist Egon Erwin Kisch bis heute bekannt. Für seine Reiseberichte war er zur Zeit der Weimarer Republik rastlos unterwegs. Mehrmals besuchte er die Sowjetunion. Er kam nach Algerien, Tunesien, in die Vereinigten Staaten und sogar bis nach China.

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gehört zwar zu den flächenmäßig größten in Oberbayern. Doch die Welt des Lokaljournalisten ist wesentlich begrenzter als das Gebiet, das Kisch beackerte. Müssten sich Neuigkeiten dann nicht umso leichter recherchieren lassen? Ganz so einfach ist es nicht. Manchmal, so scheint es, sind die Politiker einfach schneller. Manchmal geht die Recherche tatsächlich an Grenzen, in diesem Falle an die des Landes. Stundenlang führt der Begleiter den Journalisten für eine Reportage entlang des Gipfelkammes zwischen Bayern und Tirol im Vorkarwendel südlich von Sylvensteinspeichersee und Fall. Auf der sonnigen Südseite grasen Schafe, Jungvieh, weiter unten auch Pferde. Nach Norden fällt das Gelände im Gipfelbereich schroff ab. So richtig wohl fühlen sich im steilen Fels nur die Gämsen.

Der Rückweg bietet Überraschendes. Mit dem Jeep geht es über eine Forststraße talwärts. Da taucht auf einmal ein Mountainbiker auf. Als der Mann auf gleicher Höhe ist, entfährt es dem Begleiter: "Das ist doch der Landrat." Er hält an. Und tatsächlich - es ist Josef Niedermaier. Den Trachtenjanker, mit dem er beruflich meist auftritt, hat er gegen Helm, Sonnenbrille und Radfahrerdress eingetauscht. Doch was macht er mitten unter der Woche am Berg? Hat der Landrat etwa Urlaub? Die Antwort ist Nein. Niedermaier hat mit Vertretern der Regierung von Oberbayern eine Almexkursion gemacht. Dafür habe er sich gerne aufs Mountainbike geschwungen, sagt der Landrat. Zurück bleibt die Erinnerung an eine nette Begegnung, aber auch ein wenig Frust. An einen der südlichsten Zipfel des Landkreises ist es gegangen, dahinter liegt schon Österreich. Und auch an Höhenmetern geht es im Vorkarwendel kaum mehr nach oben - und der Landrat ist schon da.

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