Mitten in Bad Tölz:Licht und Schatten

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Die Kurstadt sieht sich insgesamt auf der Sonnenseite, doch intern sind die besten Plätze nicht gerecht verteilt

Von Klaus Schieder

Bad Tölz schaut in diesen sonnigen Frühlingstagen genauso aus wie auf den Postkarten, die überall an den Ständern vor den Geschäften hängen: Von den nahen Berggipfeln glänzt der Schnee, die Isar übertreibt es mit ihren Lichtreflexen, die Kalvarienbergkirche schimmert kitschig unterm Himmelsblau. So was begeistert Touristen und Touristiker. Anders als auf fast allen Ansichtskartenmotiven fehlen nur Lederhosen, Dirndl und Trachtenhüte im Straßenbild. Das liegt daran, dass es die Stadt versäumt hat, eine Anzugsordnungssatzung zu erlassen, die jeden Einheimischen dazu verdonnert, tagtäglich in Tracht herumzulaufen. Aber sonst zeigt sich Tölz von seiner besten Seite.

Mit einer Ausnahme. Das Frühlingsleuchten bringt auch eine verdammte Ungerechtigkeit ans Licht, die im Stadtrat seltsamerweise nie thematisiert wurde, obwohl sie in der Marktstraße auf den ersten Blick zu erkennen ist: Das Café Schuler liegt auf der Sonnenseite des Geschäftslebens, die Stühle im Freien sind immerzu besetzt, und die Kellnerinnen wissen zuweilen gar nicht, wen sie zuerst bedienen sollen; das Café Volkland gegenüber fristet hingegen ein betrübliches Schattendasein, fast niemand sitzt an den Tischen im Kühlen, der Kellner braucht gar nicht erst nachzuschauen. Eine solche Wettbewerbsverzerrung sollte die Stadt nicht dulden, auch wenn eine Lösung schwierig erscheint.

So ist es fraglich, ob sich der wärmende Planet per Tölzer Sonnenstandsänderungsatzung dazu bewegen lässt, seinen Lauf am Firmament mehr nach Norden zu verlegen. Auch das Aufstellen großer Spiegel am Kalvarienberg hätte seine Tücken: Volkland-Gäste könnten, geblendet von den umgeleiteten Strahlen, versehentlich am Cappuccino ihres Nachbarn nippen und sich dann bei der Servicekraft beschweren, warum sie nicht den bestellten Tee bekommen haben. Das Zusammenstellen der Tische beider Cafés in der Sonnenzone trüge wiederum die Gefahr in sich, dass es unter den Kunden, bei den Bedienungen, zwischen Kellnern und Gästen zu Missverständnissen oder gar Streitereien kommt.

Aber für solche Fälle hat Bad Tölz gottlob einen Bürgermeister und einen Stadtrat, die dafür bekannt sind, stets Licht ins Dunkel heikler Fälle zu bringen. Sicher haben sie bei einem Ortstermin vor einer der nächsten Sitzungen eine erhellende Idee, den Konkurrenzkampf der beiden Cafés etwas fairer zu gestalten. Schade nur, dass dies kein neues Postkartenmotiv abwirft: Man sähe die Herrschaften bloß beim Kaffeetrinken.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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