Mitten in Bad Tölz:Die Isar macht die Stadt flüssig

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Über die Unruhe des Flusses in diesem Jahr

Von Klaus Schieder

Wenn Christkindlmarktbuden die Fußgängerzone verstellen, die Adventsluft nach Käse und Bratwurst riecht, der Glühwein fließt und vom Stehtischnachbarn übern Anorak gespritzt wird, dann hat die Isar in Bad Tölz normalerweise Ruhe. Ungestört kann sie durch die frühe Dunkelheit plätschern, muss weder die Knöchel von Strandgästen noch bellende Hunde baden, auch keine Massen von Schlauchbooten mehr schultern - endlich Ferien. Normalerweise. In diesem Jahr ist das leider nicht so. Schon seit Monaten muss sich der gestresste Fluss auch noch einer Kiesabbauoperation der Stadtwerke unterziehen, die ihr mit Baggern den Bauch ausgraben. Von wegen Hochwasserschutz und so. Sonst könnte es vorkommen, dass die Isar im nächsten Frühjahr halb Tölz überschwemmt - vermutlich aus lauter Wut über das, was ihr im Sommer wieder bevorsteht.

Derlei Unmut könnten wir sogar verstehen, obwohl wir selbst zu den Strandgästen zählen, die an warmen Tagen an ihrem Ufer im Stadtzentrum sitzen und dem Bootsverkehr auf den Wellen zuschauen: den Firmenangestellten auf Betriebsausflug, die akkurat mit Helm, Schwimmweste und Verdrossenheit wie im Büro vorbeipaddeln, dem schläfrigen Bonvivant unterm Sonnenschirm, dem der Bierkasten im Heck den Bug seines müllreifen Wassergefährts in die Höhe treibt, dem johlenden Chippendale-Abklatsch vollkommen nackerter Männer. Ein Panoptikum der Absonderlichkeiten, was da manchmal so vorbei treibt.

Das werden wir nächstes Jahr vermissen, denn von unserer steinigen Aussichtsplattform haben die Stadtwerke bei ihrer Fluss-OP wenig übrig gelassen. Die Kiesbank ist nahezu weg, die Isar strömt doppelt so breit dahin wie bislang. Das kann ja nicht nur mit dem Hochwasserschutz zu tun haben. Wir haben den leisen Verdacht, dass die Stadtwerke nebenher auch gleich eine Art Autobahn für den stark zunehmenden Bootsverkehr schaffen - zweispurig statt einspurig, ohne Staugefahr. Selbst der kleine Kiesberg in der Isar stadtauswärts nahe des Wohnmobilplatzes dürfte nicht zufällig angelegt sein. Als Engpass liegt er genau richtig für eine Mautstelle. Dort werden sie 2017 dann alle abkassiert: die Firmenchefs, die Betrunkenen, die Nackerten. Und wer kein Geld im Neoprenanzug oder der Badehose hat, wird ersatzweise zum Christkindlmarkt vorgeladen und muss Glühwein neben dem Käsestand trinken.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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