Mitten im See:Nasskaltes Happy End

Pessimisten sagen, die Menschen werden immer egoistischer. In Sankt Heinrich sind aber acht Ausflügler ins eiskalte Wasser gesprungen, um einen Paddler zu retten

Kolumne von Konstantin Kaip

Das sommerliche Wetter am Wochenende hat die Menschen verändert: T-Shirt statt Winterjacke, Flipflops statt Stiefel und Bermuda statt Jeans. Äußerlich zumindest waren die Scharen, die an den See und in die Biergärten drängten, ganz andere als jene, die noch vor Wochen mit grimmiger Miene die Straße überquerten oder auf die S-Bahn warteten. Im Inneren aber, so würde es ein Pessimist sagen, sind sie die gleichen geblieben: Sie denken doch alle nur an sich, starren in ihre Smartphones, und wenn jemand neben ihnen Hilfe braucht, wird er geflissentlich ignoriert.

So schlimm steht es allerdings dann doch nicht um die Menschen. Dass es berechtigten Anlass zur Hoffnung gibt, zeigt eine Szene, die sich am Freitagabend auf dem Starnberger See bei Sankt Heinrich zugetragen hat. Vom Sommerwetter berauscht, hatte sich ein 34-jähriger Garmischer alle Klamotten bis auf die Badehose vom Leib gerissen, um auf seinem Stand-Up-Paddle-Brett auf den See hinaus zu fahren und die Abendsonne zu genießen. Die war zwar sommerlich heiß, das Wasser ist jedoch mit gerade einmal zehn Grad noch ziemlich kalt. Das merkte auch der Wassersportler, der mehrmals von seinem Brett in den See fiel. Irgendwann verließen den stark unterkühlten Mann seine Kräfte, er kam aus eigener Kraft nicht mehr raus und schrie um Hilfe.

Zu diesem Zeitpunkt tummelten sich zahlreiche Gäste am etwa 80 Meter entfernten Ufer um ein Restaurant mit Biergarten und Beach Bar. Und einige fackelten nicht lange: Acht Besucher sprangen sofort ins eisige Wasser, um dem Mann zu helfen, andere setzen mit ihren Smartphones Notrufe ab. Weil darin von "mehreren Personen im Wasser" die Rede war, schickte die Leitstelle gleich Wasserwacht, DLRG, zwei Rettungswagen, einen Notarzt und sogar einen Hubschrauber. Bis der kam, hatten die Ausflügler den Mann aber schon auf seinem Brett ans Ufer gezogen, wo er von einem Wolfratshauser Krankenpfleger und einem Medizinstudenten aus München versorgt wurde. Sicherheitshalber wurde der 34-Jährige trotzdem mit dem Hubschrauber nach Murnau geflogen. Und als die Sonne über dem See unterging, war das Happy End perfekt. Zwar ein bisschen nass und kalt für die acht Helfer, aber ein sommerlich strahlendes Beispiel mitmenschlicher Wärme.

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