Mit den "Musicanti Bavaresi" im Tölzer Kurhaus:Hohe Zylinderdichte

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"Elegante Damen und Kavaliere, Schaukelburschen und Kammerkätzchen, tanznarrische Jugend und gesetzte Herrschaften, Tanzfreudigen in Dirndl und Tracht": Sie alle animieren "I Musicanti Bavaresi" zu schwungvollen Tänzen. (Foto: Manfred Neubauer)

Redoute mit historischen Kostümen, Wiener Walzerseligkeit und einem gestrengen Tanzmeister

Von Sabine Näher, Bad Tölz

So muss es sein, in einer Zeitmaschine zu reisen: Ein prachtvoller Saal, ganz in Weiß, Rot und Gold gehalten, darin edel eingedeckte Tische, an denen sich Herrschaften in glanzvollen Roben niederlassen. Eine hohe Zylinderdichte verstärkt den Eindruck, man sei im vorvorigen Jahrhundert gelandet. Nun gruppieren sich die Orchestermusiker auf der Bühne, stimmen ein. Wenn der Wiener Walzerkönig Johann Strauß im Frack mit der Geige in der Hand höchstpersönlich um die Ecke biegen würde, es würde keinen wundern. Aha, da ist er ja! Im Frack mit der Geige - und schon geht's los.

I Musicanti Bavaresi hatten für Sonntag ins Tölzer Kurhaus zur Redoute eingeladen. Die Musiker um Franz Mayrhofer haben die alte Balltradition vor vielen Jahren aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Von Anfang an erfreute sich diese elegante Form des Ballvergnügens einer großen Beliebtheit, so auch in Bad Tölz.

Schwungvoll spielen die Musikanten auf, ein Herr und seine Dame erheben sich und schreiten mit Grandezza zur Bühne. Als Maître de Danse fordert Monsieur Hoffmann zur eröffnenden Polonaise auf. Sogleich füllt sich die Tanzfläche mit anmutig dahingleitenden Paaren, die sich im langen Zug trennen und hernach wiederfinden. Der Tanzmeister ist streng: "Des hot si leider a bisserl wia a Trauermarsch entwickelt", ermahnt er seine Tanzschar. Doch da ruft Johann Strauß, der das Orchester mit der Geige anleitet, von der Bühne herunter: "Jetzt mach' ma den Radetzkymarsch. Do kimmt des von aloa!" Gesagt, getan: Mit den in die Beine fahrenden Rhythmen des berühmten Marsches nimmt das Geschehen Fahrt auf. Packend und mitreißend spielen die Musiker auf. Die Tänzer ziehen in langer Girlande vergnügt durch den ganzen Saal, vorbei an den gedeckten Tischen, um die goldenen Säulen herum.

Da entdeckt man plötzlich, dass der Tanzmeister doch tatsächlich feuerrote Lederschuhe trägt, wie man sie zuletzt am bayerischen Papst Benedikt gesehen hat. Nein, das wäre in der feinen Wiener Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ein unverzeihlicher Fauxpas gewesen. Unversehens finden wir uns am 21. Januar 2018 im Tölzer Kursaal wieder. Und jetzt bemerkt man auch, dass gar nicht Johann Strauß, sondern der in der Region wohlbekannte Franz Mayrhofer das Orchester I Musicanti Bavaresi  anleitet.

Dem Vergnügen tut das freilich keinen Abbruch; fast hat man den Eindruck, mitten in ein faszinierendes Spiel für große Kinder hineingeraten zu sein. Und nun ruft Tanzmeister Peter Hoffmann: "Alles Walzer!" Dieser ist sinnigerweise "Glückliche Herzen" betitelt. Wahre Walzerseligkeit wogt von der Bühne in den Saal hinab. Sich anmutig drehende Paare bevölkern die Tanzfläche. Schöner kann's in Wien auch nicht sein. Damit ist die sogenannte Tour 1 beendet.

Man strebt den Tischen zu, das Gespräch wie die erquickenden Getränke suchend. Die Tour 2 wird von einer kleinen Bläserserenade, vom Balkon herab vorgetragen, eingeleitet. Der "Vergnügungszug - Polka schnell" steht nun auf dem Programm. "Da gibt es Pausen zwischendrin. Soll bei der Deutschen Bahn ja auch vorkommen", erläutert Hoffmann augenzwinkernd und greift zur Trillerpfeife. Einmal pfeifen: Alle bleiben stehen. Zweimal pfeifen: Weiter geht's. Dabei sind die unterschiedlichsten Interpretationen dessen, was eine Polka sein kann, zu beobachten. Aber alles bleibt im Takt. Die Polka Mazur mit dem schönen Titel "Lob der Frauen" erfordert eine kleine Einführung in die erwünschte Schrittfolge, die der Tanzmeister und seine Gattin elegant vorführen. Hier ist rasche Auffassungsgabe unabdingbar. Einige Paare ziehen es vor, am Tisch zu pausieren. Die Mutigen verschränken die Arme hinter dem Rücken und springen erst vor und zurück, dann hüpfen sie im Kreis. Ebenso schwung- wie stimmungsvoll leitet Mayrhofer seine Musicanti dazu an.

Tour 3 ist dem großen Walzer "Freut euch des Lebens" gewidmet. Da hält es keinen am Platz; alles strebt auf die Tanzfläche. Die Tanzhaltungen variieren; manche halten sich umschlungen, andere den akkuraten Abstand. Nur einem Tänzer ist die rechte Hand, die auf dem Rücken der Partnerin ruhen sollte, gute 20 Zentimeter zu tief gerutscht. Ein Fauxpas bei Hofe; im Kursaal geht es an.

Die Annen-Polka eröffnet Tour 4. Hier müsse man unbedingt "den ganzen Charme von Kopf bis Fuß hineinlegen", animiert Mayrhofer das Publikum. Darauf gibt es eine Gesangseinlage des Tanzmeisters: "Schön ist so ein Ringelspiel". Und mit der schnellen Polka "Donner und Blitz" geht die Tour ausgelassen zu Ende. Das Orchester gibt alles; die Tänzer halten mit. So wird es nun noch ein paar Stunden weitergehen: Bis zur Tour 12 sind noch etliche Walzer und Polkas zu bewältigen.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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