Methoden der Betrüger :Tatort Telefon

Ob Enkeltrick oder falsche Polizisten - Christoph Stiller klärt als Sicherheitsberater Senioren über die neuesten Maschen organisierter Banden auf. Die Mitglieder des Wolfratshauser VdK erfahren auch, wie man sich schützt

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

Als ein alleinstehender alter Herr eines Tages ans Telefon ging, begrüßte ihn eine alte Bekannte, von der er lange nichts mehr gehört hatte. Bald schon plauderte er fröhlich mit ihr - ganz wie in alten Zeiten. Nach einiger Zeit erzählte sie ihm von ihren Sorgen: ihr Haus werde in zwei Tagen zwangsversteigert, sie brauche dringend 80 000 Euro, um das zu verhindern. Die Frau schilderte den Fall dramatisch, der gutgläubige Senior wollte helfen. Leider aber der falschen.

Die 40 Zuhörer in der Wolfratshauser "Flößerei" staunen, als ihnen Christoph Stiller erzählt, dass der Mann an die 100 000 Euro Bargeld im Haus hatte. Und keinen Verdacht schöpfte, als er gemäß den Direktiven der vermeintlichen Bekannten auf den Balkon hinaustreten und vom ersten Stock aus das ganze Geld zu einem wartenden Taxi auf der Straße hinunterwerfen sollte. "Kaum war es geschehen, kam es ihm doch komisch vor", erzählt Stiller. Der Mann habe dann vergeblich versucht, das Taxi im eigenen Wagen einzuholen. Dabei sei er auch noch aus dem Auto gestürzt und habe sich schlimm den Oberschenkel gebrochen.

Er wurde Opfer einer Variante des berüchtigten "Enkeltricks", mit dem fiese Betrüger vertrauensselige alte Leute abzocken. Christoph Stiller, ein pensionierter Polizeihauptkommissar aus Mittenwald, der als Senioren-Sicherheitsberater arbeitet, ist am Samstag zur Mitgliederversammlung des Sozialverbands VdK gekommen, um eindringlich vor diesen Betrügereien am Telefon zu warnen. Dabei ist der Enkeltrick im Moment rückläufig, wie er sagt, da einer großen Bande das Handwerk gelegt werden konnte. Viel aktueller - und zurzeit im Oberland stark angestiegen - ist die Masche mit den falschen Polizisten. In Wolfratshausen ist sie anscheinend noch nicht angekommen, denn als der Experte nachfragt, wer schon so einen Anruf erlebt hat, hebt sich kein Finger.

Der Trick geht so: Angebliche Polizeibeamte, übrigens gerne auch weibliche, rufen meist mitten in der Nacht an und erzählen von Einbrechern, die sie gerade geschnappt hätten. Bei denen sei eine Liste mit Namen und Adressen gefunden worden, darunter auch der Angerufene. Die Bande plane Einbrüche in ganzen Straßenzügen. "Dann fragt der freundliche Polizeibeamte weiter: Wie viel Geld haben Sie denn im Haus? Was ist mit altem Familienschmuck?", beschreibt Stiller einen typischen Gesprächsverlauf. " Er erzählt dann, dass er einen Polizisten in Zivil vorbeischicken werde, der die Wertsachen abholt und in sichere Verwahrung nimmt, und dass die Kollegen vom Tagesdienst am nächsten Morgen alles zurückbringen." So nimmt das Unheil seinen Lauf, die arglosen Senioren, die oft Tausende von Euro im Haus haben, bekommen von den Gaunern auch noch eine vermeintliche Quittung mit Stempel. "Und dann ist das Geld für alle Zeiten weg", so Stiller.

Wie man denn so naiv sein kann, wundert sich nicht nur Gabriele Skiba, die Wolfratshauser VdK-Vorsitzende. Stiller erklärt das mit der raffinierten und professionellen Vorgehensweise der Gauner. "Da finden in Hotels richtige Schulungen statt, wie man die Leute einwickelt." Den Halunken in die Hand spielt, dass viele ältere Menschen allein leben und einsam sind. "Und dann ruft endlich mal jemand an, und der vermeintliche Enkel erzählt Geschichten, dass einem das Herz aufgeht."

Manchmal nehmen die Fälle einen guten Ausgang, weil aufmerksame Bankangestellte oder Taxifahrer nachfragen, aber nicht immer. Die Banden würden den Opfern einschärfen, ja niemandem etwas zu erzählen, oder sich eine glaubhafte Ausrede wie etwa von der Aufteilung des Erbes einfallen zu lassen.

Auch eine beliebte Lügengeschichte am Telefon: das Computersystem der Bank sei einem Hackerangriff erlegen, der Angerufene solle schleunigst sein Geld abheben und übergeben. Die Schwindler manipulieren mittlerweile sogar das Telefondisplay, um die Senioren in Sicherheit zu wiegen, wie Stiller sagt: "Es erscheint die Nummer 110, die aber von der Polizei nie für Anrufe verwendet wird." Noch viele weitere Beispiele zählt der frühere Polizist an diesem Nachmittag auf: von den zum Glück rückläufigen Kaffeefahrten, auf denen ältere Menschen buchstäblich eingesperrt und so unter Druck gesetzt werden, dass sie Verträge unterschreiben, auf denen sogar das Datum gefälscht ist, so dass das Rücktrittsrecht nicht greift. Oder von Trickbetrügern, die Senioren auf dem Friedhof ansprechen und um Wechselgeld für das Grablicht bitten, nur um ihnen beim Geldabzählen die Scheine abzuluchsen.

Der Sicherheitsberater wartet aber auch mit praktischen Tipps auf, wie man sich schützen kann: mit Türspionen der neuesten Generation kann mittels Display das ganze Treppenhaus überblickt werden. Und wer sich zum Thema Einbruchschutz beraten lassen möchte, kann mit dem für den Landkreis zuständigen Kommissar Simon Bräutigam (Telefon 0881 / 640-458) einen Termin ausmachen. Wer bereits Opfer einer Straftat geworden ist, findet Hilfe beim "Weißen Ring". "Der ist am gleichen Tag da, hilft mit Geld aus und begleitet Geschädigte beim Gang zur Polizei oder Rechtsanwältin", schließt Stiller.

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