Mein Europa:Zum Arbeiten in Deutschland

Die Lettin Zaiga Kubecka sieht in ihrer Heimat keine Zukunft für sich.

Von Ingrid Hügenell

28 Mitgliedsstaaten hat die EU seit der vorerst letzten Erweiterung im Jahr 2013. Gut 507 Millionen Menschen wohnen in der Europäischen Union. Vom 22. bis 25. Mai werden die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu gewählt. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit suchen. Auch im Landkreis leben Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Zaiga Kubecka hat mehr Freunde außerhalb Lettlands als innerhalb. Das liegt nicht daran, dass die junge Frau, die seit September in Wolfratshausen lebt, besonders schnell Anschluss findet. Sondern daran, dass sehr viele junge Leute Lettland verlassen, um im Ausland Geld zu verdienen. Zaigas Freunde sind Letten und Russen, die in Deutschland leben. Auch die 24-Jährige arbeitet in Deutschland, und es ist nicht ihre erste Station im Ausland. Zuvor hat sie schon in einer Fabrik im englischen Birmingham Tomaten in Dosen gefüllt und in Holland in einem Hotel gearbeitet. In Wolfratshausen nun putzt sie in einem Autohaus und einer Kindertagesstätte.

Richtig Deutsch hat sie noch nicht gelernt, Englisch kann sie besser. Aber sie besucht schon einen Deutschkurs. Dann findet sie sicher auch Kontakt zu Deutschen. Immerhin war sie mit den Kollegen aus dem Autohaus schon mal abends weg. Denn hier möchte sie bleiben, schon weil in Geretsried ihr Bruder mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter lebt. Auch die Mutter, die noch in Lettland lebt, und die Zaiga seit 14 Monaten nicht gesehen hat, könnte vielleicht hierher kommen, hofft die junge Frau. Denn sie vermisst ihre Familie.

Deutschland mag sie, die Leute seien nett, höflicher als die Letten. "Die Deutschen entschuldigen sich öfter", sagt sie. Die Letten seien eher gestresst, zudem gibt es Spannungen zwischen den 59 Prozent der Bevölkerung, die Letten sind, und den etwa 30 Prozent Russen, die dort leben. Bis 1991 war Lettland eine Sowjetrepublik, es hat den größten russischen Bevölkerungsanteil der drei baltischen Staaten.

Seit Lettland im Januar den Euro eingeführt hat, sei alles teurer geworden. "Es ist schwierig, in Lettland zu leben", sagt Zaiga Kubecka. Das Einkommen sei niedrig, nur etwa 300 Euro pro Monat. Lettland hat laut der Homepage der EU nach Bulgarien und Rumänien den drittniedrigsten Lebensstandard der EU-Staaten. Zaiga wäre lieber in Lettland geblieben, aber für junge Leute sei es dort wirklich schwierig, sagt sie. "Ich wollte dort arbeiten, aber das ging gar nicht."

Die meisten Leute, die sie kennt, gehen weg, nach England, Irland, Holland, oder eben nach Deutschland. Auch seien die EU-Infrastrukturmittel noch nicht überall angekommen, auch nicht in ihrer Heimatstadt. Sie stammt aus Rezekne, einer Stadt mit etwa 34 000 Einwohnern im Osten Lettlands, etwa 230 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Riga. Die EU hat Zaiga Kubecka also nicht besonders viel gebracht, außer der Möglichkeit, ohne Visum überall hinzureisen. Vielleicht, so meint sie, nutzen die EU und der Euro eher "denen da oben".

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