Lesung: Colombo Max:Der Nachlass des Nonno

Verena von Kerssenbrock erinnert sich und zahlreiche Gäste an das Leben ihres Urgroßvaters Colombo Max.

Barbara Szymanski

Verena von Kerssenbrock kann sich noch gut an ihren Urgroßvater erinnern. "Nonno haben wir zu ihm gesagt. Für uns Kinder war er ein Held", sagt die Schauspielerin und Musiktheaterregisseurin in ihrer Lesung über Colombo Max, eben jenen Urgroßvater. "Einblicke in das Leben von Paula und Colombo Max" hat Kerssenbrock den Samstagabend im Münsinger Pfarrheim überschrieben, an dem sie mit klarer Stimme aus Briefen keineswegs nur vorliest.

Lesung mit Verena von Kerssenbrock

Die Kunst bleibt in der Familie: Verena von Kerssenbrock präsentiert ihren Urgroßvater Colombo Max, seine Frau Paula und Adoptivsohn Tommmi in Wort und Bild.

Vielmehr lässt sie die beiden interessanten Künstler, Vielreisenden und Menschenfreunde noch einmal lebendig werden: die temperamentvolle, vielseitige Paula und ihren gemütvollen Mann Colombo Max, der vom Frontdienst im ersten Weltkrieg und der Sorge um den umfangreichen Nachlass seines verstorbenen Vaters Gabriel von Max arg gebeutelt wird. Auf keinen Fall dürfe das Œuvre des Gabriel von Max zerfallen oder in falsche Hände geraten, findet er.

In Kerssenbrocks Erbe fand sich ein Tagebuch von Paula sowie unzählige Briefe, die sich das Paar während des Weltkriegs geschrieben haben, aber auch danach, wenn sich Colombo auf Studienreisen befand. Nahezu 600 Briefe sind erhalten; die meisten sind mit Zeichnungen verschönert und so ein wahrer Schatz. Kerssenbrock liest aus vielen davon, Fotos runden ihren außerordentlich gut besuchten Vortrag ab. Die Urenkelin, die die Künstlerdynastie der Max fortsetzt, empfindet die Ausstellungen von Gabriel von Max im Münchner Kunstbau und die seiner Söhne Corneille und Colombo Max im Münsinger Pfarrsaal (bis 30. Januar) als "ein großes Glückserlebnis".

"Europa ist ein einziges Schlachthaus"

Kerssenbrock hat vor, den schriftlichen Nachlass zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen. Denn es sind nicht nur Briefe zwischen zwei Menschen, die sich sehr zugetan waren und wahrhaft in guten wie in schlechten Zeiten zusammenhielten, sondern auch ein Stück Kunst- und Zeitgeschichte, die vom Leben zwischen Boheme und geregelter Bürgerlichkeit und Familiensinn berichten.

Als Colombo Max in den Krieg ziehen muss, küsste sein Adoptivsohn Tommi noch lange dessen Kopfkissen. Der Soldat wider Willen stellt fest: "Europa ist ein einziges Schlachthaus." Details erzählt er nicht aus Flandern. Und dennoch hat er bei alle dem einen Blick für die Natur. Als endlich der Waffenstillstand kommt, kann sich niemand so recht freuen. Auch Paula nicht. Sie will sich ihre Freude aufbewahren, bis Colombo zurückkommt.

Paula ist nicht nur eine schöne Frau mit vielen Talenten, sie hat sich auch in dunklen Zeiten ihren Humor bewahrt. Sie hält fest: "Herr Colombo hat am liebsten mich gemalt, besser mein Fleisch." Sie blieben zusammen, heirateten 1910, und Colombo hinterfragte offenbar nie, wer der Vater von Paulas Sohn Tommi war. Er adoptierte und liebte ihn inniglich. Doch in Ammerland gab es Vorurteile gegen das ledige Kind. Auch das beschreibt sie ohne Zorn. Genau wie ihr Leben im Schatten ihres gefragten Mannes.

Vom Mangel der Nachkriegszeit blieben die Max nicht verschont. Gabriel von Max' zweite Frau Ernestine Harlander indes hielt die Hände über den kostbaren Nachlass und gab höchstens etwas aus der Knochen- und Schädelsammlung her oder aber Speere oder Harnische, die kein Händler kaufen wollte. Im Haus Max wurde sogar die Auswanderung nach Amerika erwähnt. Dazu kam es aber nicht. Colombo Max malte und malte in Ammerland und wurde 93 Jahre alt.

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