Oberbayern:Bei Faschingszug verhöhnt: Transsexuelle stellt Organisatoren zur Rede

Lesezeit: 2 min

  • Amanda Reiter aus Lenggries sieht sich durch einen Wagen des Faschingsumzugs verunglimpft.
  • Der Wagen thematisierte die Transsexualität Reiters.
  • "Die wollten sich über mich lustig machen, mich angreifen. Aber die Tragweite ihres Tuns haben sie nicht überrissen", sagt Reiter.

Von Alexandra Vecchiato, Lenggries

Der Fasching folgt eigenen Regeln. Alles wird lockerer gehandhabt und der ein oder andere bekommt sein Fett ab. Zutiefst bestürzt war Amanda Reiter jedoch, als sie Fotos eines Wagens vom diesjährigen Lenggrieser Faschingsumzugs zu Gesicht bekam. Dieser thematisierte auf diskriminierende Weise ihre Transsexualität. Auf einer Seite bot sich folgendes Bild: Aus dem Wagen ragte ein Phallus, eine große Schere darunter setzte zum Schnitt an.

Zwar haben sich der Faschingsverein als Organisator und Bürgermeister Werner Weindl (CSU) für die Gemeinde bei der Unternehmerin entschuldigt, doch das reicht Reiter nicht. Bei einem Treffen stellte sie die Verantwortlichen zur Rede, sie wollte dabei aufklären und das Gespräch suchen.

Stein des Anstoßes ist ein Wagen mit einem Sägewerk sowie mit einem Postgebäude - Verweise auf das stillgelegte Sägewerk, das Reiter gehört, sowie den Zustellstützpunkt, den sie auf ihrem Grund gebaut hat. Kostümiert waren die Männer auf den Wagen halb in Frauen-, halb in Männerkleidern. Auf dem Gefährt zu lesen war unter anderem die Aufschrift "Großgrundbesitzer/in verkauft Grundstücke und nicht lebenswichtige Organe". Die Bilder will Reiter nicht mehr sehen, darum sieht die SZ von einer Veröffentlichung ab.

Kommentar
:Geschmacklos und engstirnig

Der Faschingswagen der Lenggrieser Burschen war sexistisch und diskriminierend. Das hat auch dem Ansehen der ganzen Gemeinde geschadet.

Von Alexandra Vecchiato

"Die wollten sich über mich lustig machen, mich angreifen"

Sexistisch, nicht jugendfrei - vieles fiele der Lenggrieserin dazu ein. Vor allem ärgerlich findet sie, dass es heiße, 24 Männer im Alter von 15 bis 20 Jahren hätten volltrunken aus einer Laune heraus den Wagen gebaut. Die Bilder sprächen eine andere Sprache, sagt Reiter. Auf dem Wagen sehe man Erwachsene tanzen; die aufwendigen Kostüme, die Details des Wagens seien nicht "im Suff" schnell mal über Nacht gemacht worden.

"Das ist eine glatte Lüge", sagt Amanda Reiter. "Die wollten sich über mich lustig machen, mich angreifen. Aber die Tragweite ihres Tuns haben sie nicht überrissen." Was wäre gewesen, wenn sie, ihr Mann und ihr neunjähriger Sohn beim Faschingszug mit dabei gewesen wären, fragt Reiter - und nicht im Urlaub in Indonesien?

Trotz aller Enttäuschung wünscht sich Reiter keine verhärteten Fronten. "Ich sehe einen gewaltigen Aufklärungsbedarf." Zumal die Aufschriften auf dem Wagen nahelegen, dass ihr eine "kleine Gruppe im Ort" aus wirtschaftlichen Gründen mit Missgunst begegne. "Ich habe ansonsten in Lenggries nie schlechte Erfahrungen gemacht." Amanda Reiter, geboren als Hermann Reiter, hatte sich 2014 öffentlich dazu bekannt, eine Frau zu sein. 2015 fand die operative Geschlechtsanpassung statt.

Der Faschings-Chef sagt: "Das war sehr dumm"

Auf Aufklärung und das persönliche Gespräch setzt auch Michael Gascha, Chef des Faschingsvereins "Mia sans". "Die Darstellung auf dem Wagen geht so gar nicht", sagt er. Vorab habe der Verein lediglich das Thema "Reiter-Säge" gemeldet bekommen.

Auf den Gedanken, es könne um die Transsexualität Reiters gehen, sei niemand gekommen. "Wir dachten an die Grundstücksverkäufe, die kommunalpolitisch in Lenggries ein großes Thema waren." Alle Wagenbauer seien darauf hingewiesen worden, dass bestimmte Themen tabu seien. Doch die Burschen, die den Wagen kreiert hätten, seien nicht auf die Idee gekommen, dass sie Reiter persönlich beleidigen könnten. "Das war sehr dumm."

Ihm gehe es darum zu zeigen, dass der Isarwinkel nichts gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle habe. Daher plane man auch gemeinsame Info-Veranstaltungen mit dem SchuTz e. V., dem Verein für Schwule und Lesben in Bad Tölz und dem Oberland. Bei dem Treffen am Freitag, das Gascha als sehr wichtig bezeichnete, entschuldigten sich die Beteiligten bei Reiter. Die Männer sagten, sie bedauerten das Ganze zutiefst.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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