Landkreis:Wo der Internet-Anschluss als besonders schlecht bewertet wird

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SZ-Grafik (Foto: WOR)

Die Unternehmer beklagen in einer Befragung den schleppenden Breitbandausbau. Insgesamt bekommt der Standort aber gute Noten.

Von David Costanzo, Bad Tölz-Wolfratshausen

Natürlich tauchen wieder die üblichen Probleme auf: zu wenig bezahlbarer Wohnraum, Fachkräftemangel und fehlende Flächen. Das haben bei der Präsentation der Ergebnisse der Unternehmensbefragung am Mittwoch im Landratsamt alle erwartet - die anwesenden Unternehmer, Bürgermeister, Wirtschaftsförderer und auch Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). Doch unter die größten Sorgen der Chefs mischt sich ein weiteres Thema: Viele Unternehmen im Kreis sind unzufrieden mit ihrer Anbindung ans Internet.

Rund jeder dritte befragte Betrieb bewertet die Breitbandversorgung als schlecht oder sogar sehr schlecht. Gleichzeitig rangiert der Anschluss an das weltweite Datennetz mit großem Abstand als wichtigster Standortfaktor. Praktisch alle Unternehmen brauchen ihn - und zwar nicht um eine hübsche Homepage zu erstellen, sondern um handfest damit zu arbeiten. Selbst in der Werkstatt geht es zum Beispiel schon lange nicht mehr nur um Ölwechsel und Zündkerzen, sagt Pierre Bechler vom Autohaus Walch in Deining. Die Zentrale in München erfährt von jeder Schraube, die verwendet wird - alles online.

Doch für viele Unternehmen ist der Kreis praktisch offline: In allen Regionen ärgern sich Chefs über das Internet. Das zeigt eine Karte, die Josef Rother von der Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung für die Auftraggeber Landkreis und die Städte Wolfratshausen, Geretsried und Bad Tölz erstellt hat. In allen drei Städten benoten die Unternehmer das Angebot gleichermaßen mit 2,8 bis 2,9. Das stellt zwar nicht den schlechtesten Mittelwert aller abgefragten Aspekte dar, doch hinter dem Durchschnitt verbirgt sich die größte Spannweite - zwischen zufriedenen Betrieben, die wie das Autohaus Walch wenigstens kürzlich einen brauchbaren Anschluss bekommen haben, und denen, die auf der Datenautobahn immer weiter abgehängt werden. In den Nachbarlandkreisen Starnberg und Miesbach hat die Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung vergleichbare Erhebungen durchgeführt: In beiden waren die Ergebnisse besser. Miesbach kommt auf 2,6, Starnberg auf 2,7.

Die Befragung stellt nach Angaben des Forschungsinstituts ein recht gutes Abbild des Wirtschaftsgeschehens im Landkreis dar: Von den 1588 angeschriebenen Betrieben hat jeder dritte teilgenommen - genau 501 Unternehmen, kleinere Betriebe waren sogar überproportional vertreten. Sie stehen für jeden vierten Arbeitsplatz in der Region. Das Forschungsinstitut erzielt nach eigenen Angaben selten so einen hohen Rücklauf - das kann für die Verbundenheit der Chefs mit der Gegend stehen.

Und sie geben dem Kreis insgesamt gute Noten: Die Standortzufriedenheit sei insgesamt mit einer 2,3 vergleichsweise hoch, erklärt das Institut. Als besonders positiv bewerteten die Unternehmen die Anbindung an die Straße - sowohl an Bundesstraßen und Autobahn wie auch an lokale Strecken. Hier gibt es die Bestnoten 2,2 und 2,3. Das Angebot von Schulen und Kitas rangiert dahinter mit 2,3 und 2,4. Das Kultur- und Freizeitangebot schneidet natürlich mit einer Note von 2,5 ebenfalls hervorragend ab.

Doch es gibt eine Kehrseite: Die schlechtesten Noten bekommen nämlich Angebot und Preise von Wohnraum - bis hin zu einer 3,7. Ähnlich dramatisch bewerten die Chefs die Chancen, gutes Fachpersonal zu bekommen mit 3,4. Auf den Plätzen folgen Angebot und Preise von Gewerbeflächen mit 3,3.

Zusammen mit dem in weiten Teilen des Kreises langsamen Internet kann das für viele Unternehmen zum Hemmschuh der Zukunft werden: 61 Prozent wollen bis zum Jahr 2019 neues Personal einstellen. 17 Prozent aller befragten Betriebe wollen ihre Jobs auch Flüchtlingen anbieten, 48 Prozent können sich das zumindest vorstellen. Warum sie das tun - und warum andere nicht -, wurde nicht abgefragt. Fast genau so viele Unternehmen wollen neue Produkte entwerfen oder neue Dienstleistungen anbieten. Jeder zweite Chef will den Standort modernisieren. Und immerhin 18 Prozent sogar erweitern. Das Forschungsinstitut ermittelte einen Flächenbedarf von fast 200 000 Quadratmetern - allein in den nächsten beiden Jahren.

Landrat Niedermaier freute sich, dass diese Punkte einmal in aller Deutlichkeit herausgearbeitet worden seien. Der Kreis und seine Bewohner dürften nicht in eine "Dekadenzhaltung" verfallen. Wo auch immer neue Flächen für Gewerbe nötig seien, rege sich schnell hartnäckiger Widerstand. Dabei müssten regionale Arbeitsplätze wieder wertgeschätzt werden. Schon jetzt stünden weit mehr als die Hälfte des gesamten Landkreises unter Schutz.

Der IHK-Chef und Wolfratshauser Bauunternehmer Reinhold Krämmel forderte, dass Wohnen und Arbeiten wieder stärker zusammenrücken müsse. Beim Neubaugebiet auf dem Geretsrieder Lorenzareal habe er die Erfahrung gemacht, dass das umliegende Gewerbe die geplanten Wohnungen als Gefahr sehen und Klagen fürchteten. Dabei seien die Wohnungen ein wichtiger Standortfaktor, der gegen den Fachkräftemangel helfe. Schon jetzt bieten 36 der befragten Unternehmen im Kreis eigene Betriebswohnungen an, 15 weitere planen das.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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