"Ubi caritas", zischen die Stimmen durch den Kirchenraum. Immer wieder die gleichen Worte, erst rezitiert, dann gesungen, schließlich in alle Einzelteile zerlegt und verschiedentlich beleuchtet. Und immer wieder scheint das Motiv auf: Eine Quinte hinauf und wieder zurück, hin und her, durch viele Tonarten hindurch. Was schlicht beginnt, endet mit einem ausladenden "Amen". Der Schlussakkord wird mit einem überraschenden Glissando erreicht, die Zuhörer sind fasziniert. Die Musik stammt vom jungen polnischen Komponisten Jakub Neske. Die Tonsprache des 30-Jährigen eckt nicht an, er bedient sich vielmehr vorhandener Effekte und setzt diese geschickt zusammen.
Der Text der Antifon für den Gründonnerstag stand im Mittelpunkt des Konzerts des Projektchors Vox Nova, der am Samstag in der evangelischen Michaelskirche in Wolfratshausen gastierte. Unter der Leitung des Südtirolers Andreas Stadler bescherten die Münchner Sänger der Zuhörerschaft einen spannenden Abend. Mit den zauberhaften Harmonien von Maurice Duruflés Bearbeitung des gregorianischen Chorals "Ubi Caritas" schuf der Chor einen homogenen Klang, der Lust auf mehr machte. Neben den Neske- und Duruflé-Vertonungen bildeten die 1964 entstandene Komposition von Petr Eben sowie Ola Gjeilos Umgang mit dem lateinischen Text Eckpunkte im Programm.
Bei den Vokalwerken der alten Meister Francisco Guerrero und Tomás Luis de Victoria, die im ausgehenden 16. Jahrhundert wirkten, organisierte Stadler die Vox Nova sicher. Die Sänger deuteten den Text mit Gespür aus, besonders gefühlvoll war das "Vere languores" - der biblische Text stammt aus dem Buch Jesaja. Für den barocken Part des Konzertprogramms sorgten die zwei beweglich-frischen "Responsoria pro Hebdomada Sancta", also Antwortgesänge für die Heilige Woche, des böhmischen Komponisten Jan Dismas Zelenka. Die Motette "Christus factus est" von Anton Bruckner und zwei ausdrucksstarke Bußmotetten von Francis Poulenc rundeten das Programm ab.