Kurzkritik:Stupende Virtuosität

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Pianist Stephan König aus Leipzig ist ein musikalischer Tausendsassa. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Pianist Stephan König mit "Chopin in Jazz"

Von Reinhard Szyszka, Benediktbeuern

Im pechschwarzen Gewand betritt der Pianist den Saal, nimmt am Flügel Platz und beginnt zu spielen: Chopin, ganz klassisch, ganz traditionell. Und auf einmal schleichen sich "blue notes" in die Klavierkaskaden Chopins; Jazz-Harmonien erklingen in der linken Hand, Synkopen lockern den Rhythmus auf. Der Übergang erfolgt völlig organisch, wie selbstverständlich, und es drängt sich der Eindruck auf: So und nicht anders hätte Chopin seine Ballade fortgesponnen, hätte er 100 Jahre später gelebt.

Der Pianist Stephan König aus Leipzig ist ein musikalischer Tausendsassa. In allen Stilen der Klassik ist er zu Hause; die Spielarten des Jazz sind ihm ebenfalls vertraut. Besonders gerne betätigt er sich als improvisierender Grenzgänger zwischen den Stilen. "Improvisation ist eine der ursprünglichsten Formen, Musik zu machen", erklärt er. Heute ist der Jazz die einzige Musikform, die improvisiert wird, doch früher war dies anders: Auch die Klavier-Figurationen Chopins sind durch Improvisation entstanden.

"Chopin in Jazz" war Königs Klavierabend überschrieben; trotz Gluthitze und Sommerferien war der Barocksaal im Kloster fast voll. Der Konzerttitel war eine glatte Untertreibung. Nicht nur bei Chopin fand König die Themen für seine Improvisationen, sondern auch bei Brahms und Liszt. Und es waren auch nicht nur Jazz-Elemente, mit denen der Pianist die klassischen Werke verfremdete. Das berühmte Thema des b-Moll-Nocturne erklang im Stil einer Bach-Invention, und das Regentropfen-Prelude wurde mit Harmonien untermalt, die von Debussy hätten stammen können. König kann also nicht nur verjazzen, sondern ebenso "verbachen" und "verdebussyen". Zu den Spezialitäten des Künstlers gehört es, verschiedene klassische Werke zu einem neuen Stück zu verbinden und gelegentlich "fremde" Themen einfließen zu lassen, die ihm gerade in den Sinn kommen. Ein Überraschungsmoment im Publikum ist ihm da sicher. Beim Strauss-Walzer "Wiener Blut", frech in Brahms' Ungarische Tänze eingeschmuggelt, brachen die Zuhörer in Spontanapplaus aus.

Alles wird getragen von einer stupenden Virtuosität, einer unerschöpflichen musikalischen Fantasie und einer Kompetenz in allen Stilen, die staunen macht. Der begeisterte Schlussapplaus war mehr als verdient; König bedankte sich mit einer kleinen Improvisation über "Summertime", mit Jazzklängen erweitert.

Gershwin weiter zu verjazzen - auf diese Idee muss man erst einmal kommen!

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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