Kuratorin Gisela Geiger:"Jedes ist ein kleines Wunder"

Gisela Geiger präsentiert im Penzberger Museum Hinterglasbilder von Heinrich Campendonk. Wer wieder einmal staunen möchte, sollte sich von ihr durch die Sonderausstellung führen lassen

Interview von Stephanie Schwaderer

Gisela Geiger hat im Penzberger Campendonk-Museum einen leuchtenden Schatz zusammengetragen: 32 Hinterglasbilder von Heinrich Campendonk, die durch eine raffinierte Technik und ihr besonderes Tiefenlicht bestechen. Die einzigartige Sonderausstellung ist der Abschluss eines mehrjährigen Forschungs- und Restaurierungsprojekts. An diesem Donnerstagabend kann man sie erstmals bei "Kunst und Wein" genießen.

SZ: Welcher Wein passt am besten zu Campendonks Hinterglasmalerei?

Gisela Geiger: Ein funkelnder, schön durchscheinender Wein. Ich persönlich würde mich für einen weißen Sauvignon entscheiden.

Öffnet sich bei einem Glas Wein ein neuer Blick auf die Kunst?

Es ist eher andersherum: Im geselligen Teil, der sich an die Führungen anschließt, kommt man miteinander ganz anders ins Gespräch. Da geht es nicht um den Austausch von Fachwissen, sondern darum: Wie wirken diese Bilder auf mich, welche Assoziationen lösen sie in mir aus? Das ist für die Leute schön, und es ist schön für mich: Ich bekomme ein ganz anderes Feedback als sonst. Wie haben "Kunst und Wein" seit einem halben Jahr im Programm, und es kommt sehr gut an. In Verbindung mit der Sonderausstellung könnte es an diesem Donnerstag einen Besucheransturm geben.

Sie beschäftigen sich seit mehreren Jahren intensiv mit diesen Glasbildern. Können sie sich noch an ihnen erfreuen?

Natürlich! Als sie endlich hier angekommen sind in diesen riesigen Kisten, war das für mich wie Weihnachten. Diese Bilder sind ja fragil, man kann sie nur in schwingungsarmen Spezialtransportern auf Reisen schicken. Viele kamen aus dem Rheinland, wo es einige Campendonk-Sammler gibt, andere aus Toronto, aus Amsterdam und der Schweiz. Jedes einzelne dieser Pakete zu öffnen war wie ein Geschenk für mich.

Aber nicht wirklich überraschend - Sie wussten ja, was drin ist.

Oh doch. Im Gegensatz zu Simone Bretz, die als Restauratorin viel herumgereist ist, saß ich in den vergangenen Jahren vor allem am Schreibtisch. Diese Bilder tatsächlich vor Augen zu bekommen war etwas ganz besonderes. Man sagt ja immer: Auf einem Foto kommt ein Werk nicht so gut rüber. In diesem Fall ist das Original wirklich etwas ganz anderes.

Warum?

Das hängt mit den physikalischen Eigenschaften der Hinterglasbilder zusammen: Blick und Licht fallen von der gleichen Seite auf die Arbeiten und werden zweimal gebrochen - durch das Glas und durch die Farbe, die Campendonk oft in vielen Schichten übereinander aufgetragen hat. Dabei entstehen ganz besondere Reflexe. Das knallt so heraus, das schimmert, wie man es sonst nicht zu sehen bekommt. Im Expressionismus haben die Künstler viel experimentiert und zum Beispiel keine Firnis aufgetragen, um den Pinselstrich deutlich zu erhalten. Aber dadurch blieben die Farben matt. Campendonk ist den umgekehrten Weg gegangen und hat auf Glas wie auf Firnis gemalt. Die Effekte sind einzigartig.

Haben Sie ein Lieblingsbild?

Nein. Vielleicht habe ich in jedem Raum ein Lieblingsbild? Nein, alle sind ein eigenes Erlebnis. Jedes ist ein kleines Wunder.

Sie können über dieses Thema viele Stunden sprechen. Auf welche Informationen beschränken Sie sich bei Ihrer Führung?

Das kommt ganz auf die Gruppe an, auf die Fragen, die auftauchen. Ich muss herausfinden, bei welchem Thema der Funke überspringt: Geht es eher um technische Aspekte oder um die Sammlungsgeschichte - viele Werke wurden ja von den Nazis beschlagnahmt, ein spannendes Thema, zu dem wir auch einen eigenen Vortrag anbieten werden.

Jede Führung ist also anders?

Natürlich, sonst würde es ja langweilig. Durch die vorherige Ausstellung habe ich etwa 60 Gruppen geführt, und das hat mir bis zum Schluss Freude gemacht. Ich mag diese Bilder richtig gern, und es ist mir ein Vergnügen, sie mit anderen zusammen anzuschauen.

Beschreiben Sie doch mal Ihr Penzberger Publikum.

Überwiegend kommen zu uns ältere Leute. Immer wieder höre ich die Geschichte: Ich hatte in meiner Jugend so einen tollen Kunstlehrer, aber erst jetzt finde ich wieder Zeit, mich damit zu beschäftigen. Wenn diese Generation fehlt, sehe ich ein Legitimationsproblem auf die Museen zukommen - der Kunstunterricht wurde ja auf ein Minimum zusammengekürzt. Immerhin gelingt es uns bei "Kunst und Wein", auch ein jüngeres Publikum anzulocken. Das ist auch deshalb sehr interessant für mich, weil jüngere Leute anders sehen. Das Spätwerk Campendonks etwa, mit dem ich als junger Mensch in den Sechzigerjahren wenig anfangen konnte, kommt bei ihnen richtig gut an. Dafür ist in ihren Augen der Blaue Reiter abgenudelt, den hatten sie schon im Kindergarten. Die Kunstrezeption ist zeitgebunden und folgt einer Wellenbewegung.

Hatten Sie schon einmal Gäste, die überhaupt nichts mit den Bildern anfangen konnten?

Nein, manchmal bleibt so ein Austausch vielleicht ein bisschen stumpf. Aber es gibt ja so viel zu erzählen! Und dass die Leute rausgehen und wissen, da hängen Bilder an der Wand, die einen staunen lassen, das schaffen wir eigentlich immer.

"Magische Transparenz" bei "Kunst und Wein", Museum Penzberg, Am Museum 1 (ehemals Karlstraße 61), Donnerstag, 2. März, 19 Uhr, Eintritt 7 Euro, der Wein wird glasweise abgerechnet; Sonderausstellung bis 7. Mai; Anfang April erscheint ein Werkverzeichnis zu Campoendonks Hinterglasarbeiten; alle Infos unter www.museum-penzberg.de

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