Kandidat für den Tassilo 2018:Der Entdecker

Kandidat für den Tassilo 2018: Kunst ist für Florian Hüttner "eine starke Neugier an der Welt".

Kunst ist für Florian Hüttner "eine starke Neugier an der Welt".

(Foto: Harry Wolfsbauer)
  • Florian Hüttner wurde mit einem Tassilo-Förderpreis ausgezeichnet.
  • Der Preis ist mit 500 Euro dotiert.

Von Petra Schneider

Mit dem Niedergang des Kurwesens Ende der Neunzigerjahre hat die Wandelhalle in Bad Tölz ihre Funktion verloren. Der denkmalgeschützte Bau aus den Zwanzigern liegt wie eine schlafende Schöne im Badeteil der Stadt. 130 Meter lang, klassische Schlichtheit, hell, kühl. Über ihre Zukunft wird gestritten: Die Stadt will eine touristische Weiternutzung, die Jodquellen AG, der die Wandelhalle gehört, möchte dort Wohnungen bauen. Dass sie wenigstens zeitweise aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt wird, ist dem Tölzer Künstler Florian Hüttner zu verdanken.

In den vergangenen Jahren hat der 53-Jährige die Wandelhalle zu einem Ausstellungsort mit großer Strahlkraft gemacht. Die von ihm konzipierten Projekte haben internationale Künstler und Besucher angelockt, die vermutlich sonst nicht nach Tölz gekommen wären. Aufsehen erregte etwa die vierteilige Reihe "HALLE - Politik" in den Jahren 2015/16. Hüttner gewann für das Projekt Katharina Sieverding, Beuys-Schülerin und eine der bedeutendsten zeitgenössischen Fotokünstlerinnen. Er holte den Objekt- und Installationskünstler Mark Dion aus New York, Thomas Kilpper aus Berlin sowie die beiden Hamburger Malte Struck und Mark Wehrmann. Sie setzten sich mit unterschiedlichen Mitteln - Performance, Installation, Videoprojektion und einem Kunstprojekt mit Flüchtlingen - mit verschiedenen Aspekten und historischen Nutzungen der Wandelhalle auseinander, um eine Diskussion über deren Zukunft anzustoßen.

Leicht macht es Hüttner den Besuchern nie - die Ausstellungen und Aktionen in der Wandelhalle fordern stets eine intensive Auseinandersetzung. Mit der Resonanz in Tölz ist er zufrieden. Besonders die faszinierende Videoprojektion "Die Sonne um Mitternacht schauen" von Sieverding habe scharenweise Besucher angezogen. "Schon um zehn Uhr standen die Leute vor der Tür", erzählt Hüttner. Manche seien mehrmals gekommen, die Ausstellungen in der Wandelhalle sind kostenlos. Auch Schulen sind auf ihn zugekommen, die eigene Projekte an Themen der Ausstellungen anknüpfen wollten. Künstler für Tölz zu gewinnen sei nicht schwer. Die Halle sei für Ausstellungen "einfach der Wahnsinn". Und wenn der Landkreis und der Kulturfonds Bayern, wie bei der jüngsten Reihe, eine Förderung gewähren, dann habe er auch "finanziell etwas anzubieten".

Hüttner ist ein ruhiger Mensch. Hemd, dunkler Pulli, seriöses Outfit - das Klischee vom schrillen Künstler erfüllt er nicht. Er mag es nicht, wenn Ausstellungsbesucher ihn auffordern: "Jetzt erklär mir mal schnell, was du damit sagen willst." Für ihn sei Kunst "eine starke Neugier an der Welt". Wer eine seiner eigenen Ausstellungen besucht, wie jüngst die Werkschau "super/bad Tölz", den packt selbst die Neugier, diese Landschaft aus gestalteten Räumen und verschiedenen Ebenen zu erkunden: Bodenbedeckende, mit einem Holzgehege eingezäunte Zeichnungen, bemalte Kisten, die in Videoeinspielungen auf Flüssen treiben, Radiosequenzen urbaner Quartiere.

Hüttner, der verheiratet ist und eine Tochter hat, wurde auf Anhieb an der Akademie der Bildenden Künste in München angenommen, wechselte später an die Kunsthochschule Hamburg. Dort sei der Ansatz konzeptioneller gewesen, Hüttner verlegte seinen Schwerpunkt von der Malerei auf das Zeichnen, auf Videokunst und Fotografie. Kunst ohne konzeptionellen Hintergrund geht für ihn nicht. Tuben mit Farben und dann ausprobieren, was passiert - "das mag für andere spannend sein, aber für mich nicht". Er stieg bei der Galerie für Landschaftskunst (GFLK) ein, die sein Freund und Mitstreiter Till Krause in Hamburg im Jahr 1992 eröffnete, damals noch in einem offenen Schuppen. Eine Kunstgalerie im Garten, "da kam ganz Hamburg", erinnert er sich.

2011 stellte Jodquellenchef Anton Hoefter die Wandelhalle als Kunstraum zur Verfügung, die seitdem als Zweigstelle "GFLK Halle Süd" unter Hüttners Leitung fungiert. Die Frage nach der Relevanz von Kunst ist ihm wichtig, auch bei seinem neuen Projekt. Kristallisationspunkt ist eine vergessene Mineralquelle im Herderpark: Mit sechs Künstlern aus dem In- und Ausland will er Modelle für einen "Brunnen für alle" entwerfen und mit einer Ausstellung und Aktionen eine Diskussion über Fragen nach "Grund, Boden, Trinkwasser und Besitztum" und nach dem "im fundamentalen Wandel begriffenen Stadtgebiet" anregen. Und seine Idee für die Wandelhalle? Sie zu einer "Kunsthalle Bad Tölz" zu machen. Kochel habe sein Franz-Marc-Museum, Murnau das Münter-Haus, Tegernsee das Olaf-Gulbransson-Museum. "Ein Haus für zeitgenössische Kunst fehlt noch in der Region."

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