Kultur im Klosterhof:Diamanten und Rost

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Joan Baez begeistert in Benediktbeuern zweitausend Zuhörer und bringt zwischendrin eine wahre Entdeckung auf die Bühne.

Felicitas Amler

Natürlich hängen solche Hinweisplakate immer an den Eingängen zu großen Konzerten. Aber hier scheinen sie doch irgendwie absurd. Was man alles nicht mit hineinnehmen darf: Kameras, Flaschen, Tonaufzeichnungsgeräte, Wunderkerzen und - "Waffen aller Art". Waffen! Als wäre nicht gerade die Sehnsucht nach Frieden, nach einer Welt ohne Waffen das Bindeglied zwischen der musikalisch und politisch bekennenden Pazifistin Joan Baez und ihrem Publikum.

"Somebody will surely die": Joan Baez zeigt sich zu Beginn ihres Konzerts selbstironisch. Die alten Balladen handelten in jedem Fall vom Sterben oder vom Elend, sagt sie. (Foto: Manfred Neubauer)

Und diese Verbindung hat gehalten - über all die Jahre hinweg, Jahrzehnte über Vietnam hinaus. In den Maierhof des Klosters Benediktbeuern strömen am Freitagabend zweitausend Menschen, trotzen dem anfänglich nicht Ruhe gebenden Regen, genießen eineinhalb Stunden lang die vertrauten Songs und singen eine weitere halbe Stunde lang stehend und immer wieder neue Zugaben einklatschend all die Lieder mit, die von der Freude am Leben ("Gracias a la vida") und vom Frieden handeln: "Sag mir, wo die Blumen sind", "Imagine" . . .

Frieden, Gerechtigkeit, Solidarität, das sind die Themen. Joan Baez ironisiert es selbst ein wenig, als sie das Konzert mit einigen Folk-Songs aus der Zeit ihrer frühen Karriere ("one hundred and fifty years ago") beginnt: Immer sterbe jemand in diesen Liedern, sagt sie, und wenn nicht, sei wenigstens jemand elend dran. Und dann singt sie von "Flora the Lily of the West", vom "Railroad Boy" und von den "Hard Times".

Nichts hat sich insofern geändert. Es geht weiter um den "Hunger der Armen" oder um die Hoffnung, dass eines Tages endlich "all the children of Abraham" ihre Schwerter in Jerusalem niederlegen werden. Und doch hat sich vieles geändert. Alle sind in die Jahre gekommen. Joan Baez, die einst mit so einzigartiger Stimme, mit strahlend glänzendem Silbersopran sang, ist im Mezzo angekommen, das Silber ist matt, und die Stimme trägt nicht mehr in jede früher so leicht erreichbare Höhe.

Das ist überhaupt nicht schlimm, aber es macht ein bisschen wehmütig. Wie es ja auch melancholisch stimmt, wenn man darüber nachdenkt, wie lange man schon gemeinsam all diese Lieder singt, all diese Wünsche wünscht und all diese Hoffnungen hegt.

Wie gut passt da der Titel jenes Songs, den Joan Baez selbst komponiert und getextet hat: "Diamonds and Rust". Es ist die Ballade auf die unglückliche Liebesbeziehung zu Bob Dylan. Diamanten und Rost: Als Baez in Benediktbeuern davon singt, klingt die gewohnte Zeile "ten years ago I bought you some cufflinks" plötzlich ein bisschen anders: "Fifty years ago . . ." Ja, so lange ist es her. Aber die zierliche Person füllt die vergleichsweise riesige Bühne immer noch mit ihrer Persönlichkeit aus, mit Zuverlässigkeit, Vertrauen und Wärme.

Die musikalischen Begleiter des Abends (Banjo, Bass, Mandoline, Geige, Klavier, Gitarre und Percussion) sind Dirk Powell und Baez' Sohn Gabe Harris. Zwischendurch bringt die Künstlerin eine wahre Entdeckung auf die Bühne: die Sängerin und Gitarristin Marianne Aya Omac. Was für eine Stimme und was für eine Begabung: Die Französin singt nicht nur kraftvoll und mitreißend, sie kann ihre Stimme geradezu Trompete spielen lassen. Und auch dies zeichnet Joan Baez aus: dass sie der Jüngeren, deren Stimme noch prall und vollkommen ist, die Rampe überlässt und selbst dabei den Hintergrund ausmalt, etwa bei "Cucurucucu Paloma".

Als schließlich nach "House of the Rising Sun" und "Blowin' in the Wind", nach Liedern von Dylan, Donovan, Cohen und Baez selbst alles gesagt und mit "Donna, Donna" die letzte Zugabe gegeben ist, bricht das Publikum zufrieden auf. Und endlich traut man sich, den weißhaarigen Herrn eine Reihe weiter vorn, der mit seiner kleinen rundlichen Frau animiert mitgeswingt hat, zu fragen, wie alt er denn sei und ob er öfter zu Open-Airs gehe. "Einundachtzig", lautet die erste Antwort, die zweite ist ein Achselzucken und ein Blick Richtung Bühne: "Sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste." Genau: 71 Jahre alt ist Joan Baez. Aber sind wir nicht alle forever young?

© SZ vom 11.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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