Kritische Debatte:Gefahr von ganz rechts

Wahl Warm-up

Vor Rechtsradikalen hinter intellektueller Maske warnt Karl Bär, Bundestagswahlkandidat der Grünen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Grüne diskutieren über Identitäre Bewegung in Bad Tölz

Von Marlene Krusemark, Bad Tölz/Wolfratshausen

Der Dritte Weg, Die Rechte, Pegida, AfD - seit ein paar Jahren scheint sich die rechtsradikale Szene in Deutschland neu zu erfinden und legt einen Aktionismus an den Tag, der auch vor dem Landkreis nicht Halt macht. Mit diesem beunruhigenden Trend befassten sich die Grünen in Wolfratshausen im Gasthaus Flößerei. Dabei ging es vor allem um Aktionen der Gruppierung "Identitäre Bewegung" in Bad Tölz und die Umgangsweise mit rechtem Gedankengut.

Die Identitäre Bewegung, der es um völkische Merkmale und die Abgrenzung zu anderen Ethnien geht, wird seit gut einem Jahr in Bad Tölz beobachtet. Ursprünglich stammt sie aus Frankreich, in Deutschland existiert sie seit 2014. Im Fokus der Bewegung stehen "ethnopluralistische, kulturrassistische Konzepte", erläutert Yannik Sauerwein von der Grünen Jugend Bad Tölz-Wolfratshausen. "Die Identitären haben es sich zum Ziel gesetzt, die ethnokulturelle Identität des europäischen Volkes zu schützen." Sie sähen Deutschland in einer existenziellen Krise, wegen einer vermeintlichen Bedrohung durch Islamisierung und Masseneinwanderung. Abschottung und Verteidigung des Eigenen seien die daraus abgeleiteten Postulate der Identitären.

In Tölz machten sie vor allem durch Sticker mit der Aufschrift "Bad Tölz ist identitär" auf sich aufmerksam. Vermehrt an Plätzen, an denen sich Jugendliche aufhielten, so Sauerwein. Außerdem sei im September 2016 ein Plakat am Sportplatz des Tölzer Gymnasiums aufgehängt worden, das "Eine Jugend steht auf" trug und ebenfalls der Identitären Bewegung zugeordnet wird. Da sich die Aktionen der Identitären bundesweit häufen, steht die Bewegung mittlerweile unter Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

"Wir halten die Identitäre Bewegung in Tölz für besonders gefährlich, da sie sich hip, jung und modern gibt und vor allem auf Social Media sehr erfolgreich ist", sagte Sauerwein. Ein Unterschied zur alteingesessenen Rechten sei außerdem, dass die Identitären sich nicht nur als deutsch, sondern auch als europäisch empfinden. "Wir haben es hier mit einer rechtsextremen Minderheit zu tun, die sich intellektueller gibt als noch die Nazis aus den Neunzigerjahren mit Springerstiefeln und Glatze", charakterisierte Karl Bär, Bundestagskandidat der Grünen für den Stimmkreis, die Identitäre Bewegung. Dabei gehe es nicht darum, mit Gewalttaten aufzufallen, sondern Rassismus wieder salonfähig zu machen, sagte Sauerwein.

Im Fall Tölz seien genaue Mitgliederzahlen schwer zu ermitteln, da sich die Aktivisten nicht öffentlich zu erkennen geben, berichtete Sauerwein weiter. Für die Aufnahme neuer Mitglieder gebe es ein konspiratives Verfahren: Man müsse sich auf der Seite erst per E-Mail anmelden und werde dann an einem anonymen Ort von einem Mitglied überprüft, bevor man mit zur Versammlung dürfe. "Dementsprechend begrenzt sind unsere Handlungsmöglichkeiten", so Sauerwein.

Die Themen der anschließenden Diskussion waren breit gefächert - sie reichten von latentem Rassismus über Krieger- und Schützenvereine, Stammtischgedankengut bis hin zur Frage nach der Möglichkeit, aus der eigenen liberalen Filterblase auszubrechen. Außerdem dachten die Teilnehmer über das "Wir-Gefühl" nach, das bei den Identitären ausschlaggebend für die Selbstbestimmung ist. Rolf Reisinger gab zu bedenken, dass dies ein uraltes Problem sei, und erinnert sich daran, "als das erste evangelische Mädchen in mein Dorf kam - da wurden wir dazu angehalten, nicht mit ihr zu spielen". Dass so etwas heute undenkbar geworden sei, mache Hoffnung, dass der Landkreis auch in Zukunft offen und tolerant gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten bleibe.

Im Fall der Identitären Bewegung in Bad Tölz hält Sauerwein es für die sinnvollste Methode, Schüler über die Gefahr aufzuklären, die von der rechtsextremen Gruppierung ausgeht - Jugendliche seien schließlich auch deren Zielgruppe. So habe er bereits in einer achten Klasse ein Video der Identitären Bewegung gezeigt und erläutert, auf welche Art und Weise dort rassistisches Gedankengut vermittelt wird. Da er heuer das Abitur gemacht habe, werde er das Projekt leider nicht weiterführen können. Er hoffe aber, dass Lehrer und Schulleiter Initiative zeigten und Aufklärungsarbeit in den Klassen leisteten.

"Und eine Handlungsmöglichkeit für jeden ist: Sticker abmachen. Da freut sich auch die Stadt", sagt er lächelnd. "Aber aufpassen!", warf da Lena Gneist ein. "Rechte befestigen gern mal Rasierklingen unter ihren Aufklebern."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: