Kräuterlikör aus Lenggries:Vom Hirsch geküsst

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1000 Liter Kräuterlikör stellt Petra Waldherr-Merk in Lenggries jeden Tag her. Das Geschäft floriert - und selbst den Streit mit dem großen Konkurrenten Jägermeister hat die Unternehmerin für sich entscheiden.

Petra Schneider

Hirschküsse schmecken mild und ein bisschen nussig, sanft umschmeicheln sie den Gaumen. Wie viel Feuer in ihnen steckt, zeigt sich erst nach intensiverem Kontakt: "Unsere Kräuterliköre sind mit 38 Prozent sehr hoch konzentriert", sagt Petra Waldherr-Merk. Vor fünf Jahren hat sie mit ihrem Lebensgefährten angefangen, den Likör herzustellen. Die Rezepte stammen von ihrer Großtante, die viel über Heilkräuter wusste. "Sie wollte mir unbedingt zeigen, wie der Likör gemacht wird", erzählt Waldherr-Merk.

Eigentlich hatte Petra Waldherr-Merk nicht geplant, den "Hirschkuss" kommerziell herzustellen. Aber dann wollten erst die Kunden in ihrem Laden, dann Wirte, und schließlich Getränkeketten den Kräuterlikör kaufen. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen zehn Mitarbeiter. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Keller ihres Lenggrieser Ladens für Wohnaccessoires wurde fortan Hochprozentiges gemischt. "Wir haben nie geplant, das kommerziell zu machen", sagt Petra Waldherr-Merk lachend. Die Nachfrage habe sie einfach überrollt: Zunächst hätten Kunden gefragt, wo man den Likör, den sie an Weihnachten verschenkte, kaufen könne. Dann kamen die Wirte, und inzwischen wollen große Getränke- und Lebensmittelketten den Likör mit dem Bügelverschluss ins Sortiment aufnehmen.

Also musste ein Name her und ein Logo. Weil Lenggries den springenden Hirsch im Wappen trägt, hätten sie sich dafür entschieden. Doch dann kam die Sache mit Jägermeister: Kurz nach der Anmeldung der Marke "Hirschkuss" beim Patentamt München legte die Mast Jägermeister AG Einspruch ein. Der Platzhirsch aus Wolfenbüttel witterte eine Verwechslungsgefahr und bestand darauf, dass auf jegliche Hirschdarstellungen verzichtet werde. Andernfalls drohe eine Klage - Streitwert rund 400.000 Euro. "Da hatten wir gerade mal 50 Flaschen verkauft."

Trotzdem: Klein bei geben wollte Petra Waldherr-Merk nicht. Durch Zufall war eine Redakteurin der BR-Sendung "Quer" auf die Geschichte aufmerksam geworden. "Am Tag, nachdem der Beitrag im Fernsehen ausgestrahlt wurde, ist unsere Internetseite zusammengebrochen, so viele Aufrufe gab es." Der Rückhalt in der Bevölkerung sei enorm gewesen: "Die Leute haben das wohl als eine Art David-gegen-Goliath-Geschichte gesehen." Dreieinhalb Jahre seien böse Briefe zwischen Lenggries und Wolfenbüttel hin und hergegangen, im Juni letzten Jahres habe Jägermeister schließlich klein bei gegeben.

1000 Liter Kräuterlikör pro Tag

Im April ist das Familienunternehmen aus dem Keller aus- und in einen 1000 Quadratmeter großen Neubau an der Tölzer Straße in Gaißach umgezogen. Das Gebäude, das Petra Waldherr-Merk "Genussmanufaktur" genannt hat, ist eine Augenweide: Ein sichtbarer Dachstuhl, alte Holzmöbel, ein Verkostungsraum mit Gewölbe, liebevoll ausgesuchte Dekoartikel auf zwei Etagen und natürlich das Herzstück des Unternehmens: Flaschenweise Hirschkuss und dessen Schwestern "Birnd`l", "Kernlos" und "Vogelgezwitscher". In der Produktionshalle tragen alte Holzsäulen mächtige Edelstahlbottiche, in Leinensäcken duften Anis, Baldrianwurzeln, Wacholder, Arnika und Enzian. Auch eine eigene Destillerie gibt es, in der Bier zu Bockbrand verarbeitet wird.

Einrichtung und Ausstattung hat die gelernte Einzelhandelskauffrau selbst in die Hand genommen. Ebenso das Marketing: Überall in der Region und im Kino sind Plakate unter dem Motto "Da rührt sich was", oder "Probier doch mal was Neues" zu sehen. Inzwischen werden 1000 Liter Kräuterlikör täglich gewonnen, von Hand abgefüllt und von Hand mit Etiketten beklebt. "Wir wollen keine Fließbandarbeit", betont die Chefin. Zehn Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, auch ihr 24-jähriger Sohn arbeitet im Betrieb.

Und es werden noch einige dazukommen- das Unternehmen soll erweitert werden. "Inzwischen exportieren wir nach Österreich und in die Schweiz, und es sind Anfragen aus Amerika und Asien gekommen", erklärt die 43-Jährige. Da rührt sich was.

© SZ vom 23.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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