Konzertkritik:Wuide Mischung mit etwas Nostalgie

Konzertkritik: Frontfrau: Sängerin Katrin Dietl schreibt viele ihrer bairischen Texte selbst und dominiert die Bühne. Das Flüsternde, Zarte ist ihre Sache nicht.

Frontfrau: Sängerin Katrin Dietl schreibt viele ihrer bairischen Texte selbst und dominiert die Bühne. Das Flüsternde, Zarte ist ihre Sache nicht.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Gruppe "Boarisch Krem" bringt im Geltinger Hinterhalt funkigen Bluesrock auf die Bühne - zu bairischen Texten der Frontfrau Karin Dietl. Janis Joplin aber singt sie am Ende feinfühlig im Original

Von Wolfgang Schäl, Geretsried

"Bayerisch' Creme" ist eine süße, zuweilen pappige Angelegenheit mit viel Zucker und Schlagsahne, eine klebrige Masse, die geeignet sein kann, einem den Magen zu verderben. Was sie mit Bayern zu tun hat, weiß man nicht so genau, denn hierzulande tendiert man doch eher zum Herzhaften. Am allerwenigsten aber stellt sich die Assoziation "süß" bei der aus der Oberpfalz stammenden Formation "Boarisch Krem" ein, die sich jetzt im Geltinger Hinterhalt die Ehre gegeben hat.

Wie es zu dem Namen kam, weiß Frontfrau Karin Dietl auch nicht mehr so genau, das mit der Namenssuche vor zehn Jahren war ziemlich kompliziert, und jetzt heißen sie eben so. Wer sich die Creme wegdenkt, ist aber schon ziemlich nah dran am Selbstverständnis der fünfköpfigen Band, denn das Bairische, das hat sie sich sehr gut erkennbar aufs Panier geschrieben. Es ist ein Konzept, das allenthalben im Freistaat und besonders in Wolfratshausen seine Fans findet, erwähnt seien nur die Lokalmatadoren von der "G'mahden Wiesn". Boarisch Krem freilich hatte der Einfachheit halber den eigenen Anhang gleich mitgebracht: Die jungen Damen bevölkerten alsbald begeistert und engagiert das Tanzparkett der Geltinger Kunstbühne.

In ihrem Selbstverständnis beschreibt sich Boarisch Krem als "wuide Mischung" aus Funk, Rock und Soul, wobei Karin Dietl betont, sie singe einfach nur so, wie ihr der Schnabel gewachsen sei. Und damit ist der Auftritt dieses Energiebündels auch schon ziemlich genau beschrieben. Das Diskrete, Flüsternde, Zarte ist nicht ihre Sache, Dietl dominiert die Bühne stimmlich, physisch und gestisch, sie versteht sich nicht nur als Sängerin, sondern auch als Entertainerin, die mit ihrem Publikum im engen Kontakt steht. Und der läuft überwiegend über die weißblaue Schiene. Meist sind es Themen aus dem Alltag, die sie dialektgewaltig artikuliert, viele Texte hat sie im Einvernehmen mit ihren Musikern selber verfasst, manche bekannten Stücke ins Bairische übertragen. In "Bleifuaß" geht es um die Raser im Autoverkehr, in "Koid, wia a Stoa" um Einsamkeit, es geht um "hysterische Weiber" und ihre auf die Bühnen der Rockstars fliegenden Schlüpfer, "die mittlerweile a scho a bissl größer g'worden san, weil die meisten von uns sind ja scho nimmer so jung und schlank". Und es geht um die ewigen "Klugscheißer", die immer alles vorher schon gewusst haben. Weil Boarisch Krem auch selbst erkennbar dem zarten Jugendalter entwachsen ist, verwebt Dietl gern auch ein bisschen Nostalgie in ihre Texte und Moderationen: So erinnert sie an das "Flaschendrehen", einst spannend-erotischer Party-Höhepunkt, dem die Sängerin erklärtermaßen "das erste Bussl" verdankt.

Was die Begleitmusiker betrifft, so lassen sich die vier um Karin Dietl - Schlagzeugerin Janine Schmidt, Keyboarder Gerhard Bresoski, Gitarrist Karl Glöggler und Bassist Chris Röhrl - nicht in eine Stilschublade pressen, ohnehin sind alle auch bestens und mehrfach vernetzt mit anderen Formationen. So geht es denn querbeet dahin, überwiegend ist es eine Art funkiger Bluesrock, der sich auf einem sehr soliden Rhythmusteppich entfaltet. Dafür zeichnet professionell und präzise, in mitunter verwirrenden Taktfolgen Schlagzeug-und Percussion-Lehrerin Janine Schmidt verantwortlich, ebenso, in stoischer Gelassenheit, Bassist Röhrl, den auch die ausladend mit ihrem Publikum kommunizierende Frontfrau nicht aus der Ruhe bringt. Auf dieser Grundlage breitet Gitarrist Glöggler seine teils lyrisch-versponnenen Solopartien, teils scharfen Riffs aus, mit denen er sogar eine Saite seiner Gitarre zum Reißen brachte, und Keyboarder Bresoski setzt im Hammond-Modus seiner Orgel immer wieder zu kleinen, wunderbar verwaschen wabernden Höhenflügen an. Zu denen ist er übrigens auch beruflich prädestiniert: Der in Österreich geborene Keyboarder ist seit vielen Jahren Flugkapitän in einem Airbus.

Zum ganz großen Glück erliegt Boarisch Krem nicht der Versuchung, Stücke zu bajuwarisieren, die dies kategorisch verbieten. Dazu hat die Textverantwortliche Dietl denn doch zu viel Respekt vor den großen Originalen der Rock- und Popgeschichte, beispielsweise vor "Superfrau" Janis Joplin und deren "Me and Bobby McGee". Das Stück in bairischer Transskription - "Freiheit hoaßt, dass'd nix mehr zum verlieren host" - undenkbar. Karin Dietl bleibt bei der englischen Version und steigert sich damit am Ende stimmlich zum wunderbaren Höhepunkt des Abends.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: