Konzertkritik:Moldau mit allen Registern

Tölzer Orgel Festtage

Tölzer Orgel Festtage Tölzer Orgel Festtage, Pavel Kohout, spielt Die Moldau von Smetana und Werke von Eben, Vanhal, Martinu, Dvorak und anderen, Stadtpfarrkirche Bad Tölz,09.06.2017 .2017, Foto: Manfred Neubauer

(Foto: Manfred Neubauer)

Der Prager Virtuose Pavel Kohout brilliert mit ausschließlich tschechischen Werken auf den Tölzer Orgelfesttagen.

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Das war eine echte Herausforderung! Als Pavel Kohout, Orgelvirtuose aus Prag, die Einladung erhielt, bei den Tölzer Orgelfesttagen aufzutreten, war dies mit einer Bedingung verknüpft: kein Bach, kein Liszt, kein Widor und keines von den anderen bekannten Zugpferden, sondern ausschließlich Werke tschechischer Komponisten. Nun ist die tschechische Musik, auch die tschechische Orgelmusik, überaus reichhaltig, und Kohout sieht sie als eine ununterbrochene Tradition, die von der Barockzeit bis in die Gegenwart reicht. Dennoch: Wenn die Programmgestaltung solchen Einschränkungen unterliegt, muss selbst ein Kenner wie Kohout erst einmal nachdenken.

Am Freitag war es nun so weit, und Pavel Kohout trat in der Tölzer Stadtpfarrkirche auf. Leider war die Kirche nur zur Hälfte gefüllt, was sicher auch mit dem ungünstigen Termin in den Pfingstferien zusammenhing. Selbst der Technik-Experte im Vorstand des Tölzer Orgelvereins war verreist, was zur Folge hatte, dass die Bildübertragung von der Empore auf eine Leinwand im Kirchenschiff, sonst ein Markenzeichen der Reihe, diesmal nicht stattfand. Das war schade, denn gerade ein solcher Meister wie Kohout hätte es verdient gehabt, dass man seine technische Perfektion und Spielfreude nicht nur hört, sondern auch sieht.

Zu Beginn des Konzerts erläuterte der Organist in ausgezeichnetem Deutsch die Werke des Programms und ging dabei insbesondere auf die weniger bekannten Komponisten ein. Dann begann er auf der kleinen Chororgel mit Josef Ferdinand Norbert Seger, einem Zeitgenossen der Bach-Söhne. Die Chororgel hat nur acht Register, aber Kohout brachte sie zum Klingen. War Seger noch ganz der Barocktradition verhaftet, so gehörte der nächste Komponist, Jan Křtitel Vaňhal, stilistisch schon der Wiener Klassik an, und seine Werke erinnerten an die bekannten Flötenuhrstücke von Mozart und Haydn.

Kohout lässt die Moldau musikalisch vom Böhmerwald bis Prag fließen

Dann wechselte Kohout auf die große Orgel, und jetzt folgten mit den romantischen Werken die eigentlichen "Highlights" des Programms. Josef Klička, der Smetana persönlich gekannt hatte, hat eine Orgelfantasie über dessen sinfonische Dichtung "Vyšehrad" geschrieben, ein anspruchsvolles, virtuoses Werk, das Smetanas Orchesterklänge kongenial auf die Orgel überträgt. Pavel Kohout spielte das Werk so klar und transparent, dass es eine Freude war, ihm zuzuhören. Hier zeigte sich die Klasse dieses Künstlers: Kohout ist Virtuose genug, dass er es sich leisten kann, seine Virtuosität nicht beifallheischend zur Schau zu stellen, sondern ein sinnvolles, dem Instrument und der Raumakustik angemessenes Tempo zu wählen.

Eher meditativ angelegt waren die beiden folgenden Werke, "Versetti" von Petr Eben und "Vigilia" von Bohuslav Martinů. Für den Spieler enthalten beide Stücke etliche technische Hürden und Überraschungen, für den Hörer boten sie Gelegenheit zum Atemholen vor den großen Orchester-Transkriptionen. Die Orgel ist ja das einzige Instrument, das mit der Vielfalt der Klangfarben ein ganzes Orchester ersetzen kann, und orchestrale Orgelmusik gehört ja durchaus zu den Schwerpunkten der Tölzer Orgelfesttage. Und man muss wirklich bewundern, wie ein einzelner Organist im Alleingang das bewältigt, wofür im Orchester eine ganze Schar hervorragender Berufsmusiker nötig ist.

Kohout spielte zunächst den langsamen Satz der Sinfonie "Aus der neuen Welt" von Antonín Dvořák, bevor er zum eigentlichen Höhepunkt kam: "Die Moldau" von Bedřich Smetana in einer Orgelfassung der Kölner Kirchenmusikerin Barbara Bannasch. Der Organist hatte dieses Werk eigens für seinen Tölzer Auftritt neu einstudiert - und beherrschte es perfekt. Der Künstler ließ musikalisch die Moldau aus den kleinen Quellen im Böhmerwald bis nach Prag strömen. Dabei nutzte Pavel Kohout die vielfältigen Registriermöglichkeiten des Instruments voll aus, und auch wenn er auf der Empore eine Registrier-Assistentin hatte, so merkte man doch immer wieder, wie schwer, wie höllisch schwer das Ding für den Spieler war. Am Ende gab es begeisterten Applaus, Kohout ließ sich allerdings zu keiner Zugabe bewegen.

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