Konzertkritik:Mit Reife und Ruhe

Konzertkritik: Johannes Zahn sammelte bereits weltweit Dirigiererfahrung, etwa in den USA, bei den Hamburger Symphonikern, Bremer Philharmonikern und dem Berner Symphonieorchester. Die Sinfonietta Isartal motiovierte er mit weichen, eleganten Dirigierbewegungen zu Höchstleistungen.

Johannes Zahn sammelte bereits weltweit Dirigiererfahrung, etwa in den USA, bei den Hamburger Symphonikern, Bremer Philharmonikern und dem Berner Symphonieorchester. Die Sinfonietta Isartal motiovierte er mit weichen, eleganten Dirigierbewegungen zu Höchstleistungen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Sinfonietta Isartal brilliert in Icking, auch dank zweier absoluter Ausnahmebegabungen: Dem gerade mal 27-jährigen Dirigenten Johannes Zahn und der noch einmal zehn Jahre jüngeren Solistin Berenike Brusis.

Von Sabine Näher

Dass man in einem Jugendorchester in lauter junge Gesichter schaut, ist nicht weiter verwunderlich, wenn auch angesichts der Leistung der Sinfonietta Isartal verblüffend. Wenn allerdings, wie am Freitagabend in Icking, ein Dirigent vor den jungen Musikern steht, der kaum älter ist als diese und gleichwohl eine ruhige Souveränität und besonnene Reife ausstrahlt, dann darf man schon ein bisschen staunen.

Johannes Zahn heißt die dirigentische Ausnahmebegabung. Der gerade mal 27-Jährige erhielt schon früh Cello- und Klavierunterricht. Bis 2017 studierte er Dirigieren bei Ulrich Windfuhr an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg; derzeit ist er Student an der Zürcher Hochschule der Künste. Dirigiererfahrung konnte er unter anderem bereits bei den Hamburger Symphonikern, Bremer Philharmonikern und dem Berner Symphonieorchester sammeln. Im Sommer 2017 besuchte er die American Academy of Conducting in Aspen, wo er mit namhaften Dirigenten zusammenarbeiten durfte. Nachfolgend wurde ihm der Robert J. Harth Dirigentenpreis verliehen, der es ihm ermöglicht, im Sommer 2018 als Conducting Fellow nach Aspen zurückzukehren.

Am Freitagabend stand er aber erst einmal in der Ickinger Grundschule und motivierte die Sinfonietta Isartal mit weichen und eleganten Dirigierbewegungen zu Höchstleistungen. Ein entsprechend weicher, warmer Orchesterklang antwortete darauf. Bemerkenswert für einen solch jungen Mann war die Ruhe, die er dabei ausstrahlte. Keine Geste war zuviel, aber auch keine zu wenig.

Mit Felix Mendelssohns Konzertouvertüre "Die Hebriden" begann der Abend. Sanft aufwogend, brausend entfaltete sich der Klang, der Mendelssohns Natureindrücke, die er bei seiner Englandreise 1829 auf der schottischen Insel Staffa gewonnen hatte, stimmungsvoll schilderte. Ein wenig litt die Klangentfaltung unter dem für richtiges Forte zu kleinen und niedrigen Raum der Schulaula; das dürfte am Vorabend beim Konzert im Carl-Orff-Saal des Münchner Gasteigs günstiger gewesen sein. Der dichten atmosphärischen Wirkung tat es aber keinen Abbruch.

Und dann betrat die Solistin des Abends die Bühne. Berenike Brusis, geboren 2001, hatte seit 2006 Klavierunterricht bei Franz Deutsch, dem Gründer der Musikwerkstatt Icking, aus der die Sinfonietta hervorgegangen ist - als Jugendorchester für die Region, das die Arbeit der Musikschulen ergänzen und besonders begabte junge Musiker fördern soll. 2014 wechselte Brusis zu Massimiliano Mainolfi. Die mehrfache Preisträgerin bei "Jugend musiziert" auf allen Ebenen war zunächst Mitglied im ebenfalls zur Musikwerkstatt gehörenden Kinderorchester und nachfolgend in der Sinfonietta. Als Solistin debütierte sie nun an diesem Abend mit dem ihr so wohl vertrauten Orchester. Nebenbei vollendete die vielfach Begabte das Jungstudium an der Ballettakademie der Hochschule für Musik und Theater München und nimmt Cello- wie Gesangsunterricht. Kaum zu glauben, aber zur Schule geht sie auch noch. Derzeit besucht sie die 11. Klasse des Wilhelmsgymnasiums München. Und nun brillierte sie mit Mozarts wundervollem Klavierkonzert d-Moll KV 466.

Das Orchester zauberte eine geheimnisvoll dichte, gleichsam Unheil dräuende "Don-Giovanni"-Stimmung. Mit zu Herzen gehendem, innig bittenden Ton begegnete ihr die Solistin. In bestem Austausch mit dem Orchester bewies sie darauf nicht nur technische, sondern auch musikalische Reife. In der Romanze ließ sie den Flügel singen; Orchester und Klavier musizierten mit erfüllter Ruhe. Leidenschaftlich fuhr der Schlusssatz auf, setzte große Energien frei, die beim Publikum lauten Jubel evozierten. Doch obwohl Berenike Brusis gefeiert wurde, war sie nicht zu einer Zugabe zu bewegen. Es wirkte, als wollte sie ihre Leistung nicht von der des Orchesters abkoppeln. Diese sehr sympathische Einstellung zeigte sich auch darin, dass sie nach der Pause als Cellistin bei Dvoráks 8. Sinfonie im Orchester Platz nahm. Der 1. Satz der sogenannten "Englischen Sinfonie" schlug zunächst den Bogen zu Mendelssohns Ouvertüre und verzauberte mit einer ähnlich geheimnisvoll verhaltenen Stimmung, die dann wild vorwärts drängend ungeheure Kraft und Energie entfaltete. Das Adagio brachte einen spannenden Dialog zwischen hohen und tiefen Bläsern, von den Streichern kommentiert, aus dem sich eine bewegte Kommunikation entwickelte. Unbeschwerte Leichtigkeit und Lebenslust verströmte das Allegretto grazioso. Den Schlusssatz eröffneten tiefe Streicher und Bläser mit einer gewissen behaglichen Behäbigkeit; von den hohen Stimmen angestachelt, fanden sich alle zum himmelstürmenden Finale. Begeisterter Applaus der Zuhörer wat der Dank an alle Mitwirkenden für einen großartigen, rundum gelungenen Konzertabend.

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