Konzert:Zwei Kleeblätter

Konzert: Geiger Ingolf Turban bewies wieder einmal seine große Virtuosität. Johannes Umbreit am Piano durfte diesmal nicht nur begleiten.

Geiger Ingolf Turban bewies wieder einmal seine große Virtuosität. Johannes Umbreit am Piano durfte diesmal nicht nur begleiten.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Brahms, Clara und Robert Schumann in der Interpretation von Kelling, Turban und Umbreit

Von Reinhard Szyszka, Seeshaupt

Um einen applausfreien zweiten Konzertteil bittet Geiger Ingolf Turban. Gar nicht so einfach, denn was nun folgt, ist mit mehrmaligen Auf- und Abtritten der Musiker verbunden. Sätze einer Brahms-Sonate für Klavier und Violine wechseln mit Klavierliedern des gleichen Komponisten ab, und jedes Mal, wenn ein Sonatensatz zu Ende ist, verlässt Turban die Bühne und die Mezzosopranistin Susanne Kelling erscheint. Nach dem Ende des Lieds dann das umgekehrte Spiel: Kelling geht, Turban kommt Pianist Johannes Umbreit ist die einzige Konstante. Das Publikum muss also gegen seinen natürlichen Instinkt ankämpfen, auf- und abtretende Künstler mit Beifall zu begrüßen oder zu verabschieden. Mit zwei zusätzlichen Stühlen auf der Bühne für die gerade nicht aktiven Musiker hätte man die Situation wohl besser gelöst. Aber die Zuhörer in der Seeresidenz Seeshaupt legen eine mustergültige Disziplin an den Tag, verzichten auf Zwischenapplaus und klatschen erst am Ende. Da aber umso gründlicher.

Susanne Kelling und Ingolf Turban halten auch in diesem Jahr wieder Meisterkurse für Gesang und für Violine bei den Holzhauser Musiktagen ab, und zu Kursbeginn zeigten am Donnerstag beide Künstler ihr eigenes herausragendes Können. Pianist war natürlich Johannes Umbreit, seit Jahren eine feste Größe bei diesem Festival. Das Konzert in der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt stand unter dem Motto "Musik vom Kleeblatt" - damit waren nicht die Ausführenden, sondern das Ehepaar Clara und Robert Schumann sowie Johannes Brahms gemeint. Turban moderierte den Abend und erzählte im lockeren Plauderton von den drei Komponisten. Das rein Anekdotische, Spekulative sparte er dabei klugerweise aus und beschränkte sich auf die gesicherten Tatsachen. So erfuhr man, dass Robert Schumann zunächst Jurisprudenz studierte und erst durch das Erlebnis eines Paganini-Konzerts den Entschluss fasste, die Musik zu seinem Beruf zu machen. Sicherlich ein Segen für die Musikwelt bis heute, aber: "Man weiß ja nicht, was für ein brillanter Jurist Schumann geworden wäre", wie Turban augenzwinkernd hinzufügte.

Der musikalische Teil begann mit einer Caprice von Paganini, zu der Schumann viel später einen Klavierpart hinzugefügt hatte. Hier war der Paganini-Spezialist Turban natürlich in seinem Element, servierte mit Leichtigkeit die virtuosen Eskapaden und geigerischen Extravaganzen des Werks, drehte und bewegte sich dabei auf der Bühne, wie es der Altmeister selbst getan haben mag. Doch auch bei der den zwei Sätzen der FAE-Sonate - eine Gemeinschaftsproduktion von Albert Dietrich, Schumann und Brahms - und bei der Brahms-Sonate im zweiten Konzertteil zeigte der Geiger seine große Kunst. Er ließ den Geigenton jubelnd aufstrahlen, wo es geboten war, nahm sich an anderen Stellen aber zurück, wo das Klavier das Sagen hatte.

Pianist Johannes Umbreit ist seit so vielen Jahren für die Holzhauser Musiktage tätig, doch man erlebt ihn immer nur in dienender Funktion, wenn er Sänger und Instrumentalisten begleitet. So war es eine besondere Freude, ihn diesmal bei zwei Romanzen von Clara Schumann solistisch zu hören. Pianistisch waren die Romanzen nicht überaus anspruchsvoll, doch auch bei schwererer Kost, insbesondere beim Klavierpart der Violinsonate von Brahms, bewährte sich Umbreit.

Im Zentrum des ersten Konzertteils stand Schumanns berühmter Eichendorff-Liederkreis. Kelling und Umbreit boten eine packende Interpretation. Mit leiser, geheimnisvoller Stimme begann Kelling: "Aus der Heimat hinter den Blitzen rot ..." Sie setzte die Lieder mit überlegener Stimm- und Atemtechnik um und scheute sich nicht, manche Stellen durch diskrete, wohlüberlegte Gesten zu unterstreichen: "kommst nimmermehr aus diesem Wald", "phantastische Nacht". Umbreit am Klavier war nicht nur eine verlässliche Stütze, sondern gestaltete die Interpretation organisch mit. Beim populärsten Lied, der "Mondnacht", stand die Sängerin völlig reglos, und das Publikum lohnte die Darbietung gerade dieses Lieds mit Extra-Beifall. Aber das war im ersten Teil des Konzerts, und da war Zwischenapplaus ja noch gestattet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: