Konzert:Wie schwarzer Kaffee

Konzert: In der Kulturbühne Hinterhalt trat das Musik-Ensemble Mocca Swing Mulo Francel und Friends erstmalig in dieser Formation auf.

In der Kulturbühne Hinterhalt trat das Musik-Ensemble Mocca Swing Mulo Francel und Friends erstmalig in dieser Formation auf.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Quartett um Mulo Francel überwindet mit seinem aktuellen Programm "Mocca Swing" in der Kulturbühne Hinterhalt die Grenzen von zeitgenössischem Jazz, Klassik und Weltmusik

Von Petra Schneider, Geretsried

Diese Musik löst ein Versprechen ein: "Mocca Swing", so heißt die neue Doppel-CD des genialen Quartetts um Mulo Francel. Und ebenso kraftvoll, anregend und geschmeidig wie schwarzer Kaffee klingt das, was Mulo Francel (Saxofone, Klarinette), David Gazarov (Piano), Sven Faller (Kontrabass) und Robert Kainar (Drums) am Donnerstag im Hinterhalt spielen.

Mit rund 70 Zuhörern ist das Lokal gut gefüllt, das mit seinem legeren Charme wie geschaffen ist für diesen Jazzabend. Es ist ein außergewöhnliches Konzert, das die Zuhörer begeistert - musikalisch, aber auch atmosphärisch; denn die Musiker erzählen unprätentiös und witzig zum Teil sehr persönliche Geschichten über die Entstehung der Stücke.

Die Improvisationen atmen Freiheit, die Musik überschreitet die Grenzen zwischen Jazz, Weltmusik und Klassik. Oft wirken die Stücke wie Metaphern, wie Musik gewordene Bilder und Gefühle, die man mit geschlossenen Augen sehen kann: Das Honigglas auf dem Frühstückstisch, durch das die Sonne scheint, Tage im Süden, in die sich leise Melancholie mischt, weil die Luft schon ein bisschen nach Herbst riecht. Oder die überbordende Lebensfreude und das Temperament der Stücke mit karibischem Rhythmus.

Das Quartett entführt in die Welt und sei selbst auch international, sagt Francel: Drummer Robert Kainar, der nebenbei auch noch Koch und Indien-Kenner sei, kommt aus Salzburg. Pianist David Gazarov ist Armenier. Bassist Sven Faller stammt aus der Oberpfalz, "und ich komme aus Baierbrunn", sagt Francel. Den mehrfachen Echo-Preisträger kennt man als kreativen Kopf des Ensembles Quadro Nuevo.

Im neu aufgenommenen Doppel-Album "Mocca Swing" gibt es eine CD mit dem Münchner Rundfunkorchester des BR, in der anderen CD ist die Quartett-Besetzung zu hören: Francel, der geschmeidige Saxofonist, der Seele und Sinnlichkeit in die Musik bringt. Gazarov, der seine kräftigen Händen wie ein Derwisch über die Tasten fliegen lässt. Kainar, der kreative Schlagzeuger, der mit den Besen streichelt, schnarrt, pfeift, den Stücken Struktur gibt und mit Kontrabassist Sven Faller spannende, musikalische Dialoge führt.

Ihre Musik sei aus allen möglichen Quellen gespeist, erzählt Faller, der nicht nur Musiker, sondern auch Autor ist.

Das brasilianische Stück "Pixinguinha" zum Beispiel, hat Faller für eine niederbayerische Sängerin geschrieben, die das Musik-Ensemble nach Singapur begleitet habe: zu einem Konzert "vor chinesischem Publikum und einem Veranstalter, der Spezialist für spanischen Flamenco war". Oder das aufpeitschende "La Vida de Senior Lorenzo", das Francel in Kolumbien für den Papagei Lorenzo geschrieben hat: Das Schlagzeug, die fast enervierend gleich bleibenden Motivsequenzen des Pianos, der Bossa Nova Rhythmus peitscht - ein umwerfendes Stück.

Ebenso wie das zornige "Atahualpa" über den letzten Inka-König, "bevor die Spanier kamen und alles zerstört haben", wie Francel erklärt.

Viel Temperament und Lebensfreude, aber es gibt auch poetische Stücke, Geschichten und Balladen. Etwa die es-Moll Etüde von Chopin, die klinge, "als sitze ein deprimierter Mensch in einem grau-grün gehaltenen Zimmer und draußen regnet es", sagt Gazarov. In seiner Bearbeitung "Retrospective On A Broken Man" bleibt der melancholische Charakter, aber das vitale Saxofon, der pulsierende Rhythmus klingen nach Hoffnung und Überleben.

Ebenso schön wie unglaublich ist auch eine Geschichte von Sven Faller. Es ist die Liebesgeschichte seiner Großmutter, die erst 34 Jahre nach der Verlobung in einem Happy-End mündete. "Laqueur" hat Faller das Stück genannt, das mit einem behutsam gezupften Bass und kleinen, dissonanten Reibungen mit dem Piano beginnt. Zwei Zugaben gibt es, die erste ist einem "mystischen Ort gewidmet, an dem wir mehr Zeit verbringen, als auf der Bühne oder Zuhause", wie Faller erklärt: "Autobahn".

Eine lautmalerische Reise, an- und abschwellendes Tempo, Gewusel, ein Tatütata des Sopransaxofons lässt sich heraushören, ein Hupen mischt sich in diese musikalische Schnellstraße. Und am Ende ist es genau so, wie Francel angekündigt hatte: "Die Vorfreude ist oft größer, als die eigentliche Sache. Aber bei diesem Konzert ist das anders."

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