Konzert:Reizvolle Kontraste

Kammerkonzert St. Leonhard

Nicole Heartseeker und David Pia überzeugten mit einem außergewöhnlichen Kammerkonzert in der Wallfahrtskirche St. Leonhard.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Münchner Pianistin Nicole Heartseeker und der Cellist David Pia überzeugen in der Dietramszeller Wallfahrtskirche St. Leonhard mit einem ausgefallenen Programm

Von Sabine Näher, Dietramszell

"Diese Musiker! Einfach unglaublich", entfährt es einer Dame, die auf einem in den Gang gerückten Klappstühlchen sitzt. Die Wallfahrtskirche St. Leonhard bei Dietramszell ist am Sonntagabend bis in den letzten Winkel gefüllt. Den Verein, der sich der Erhaltung dieses architektonischen Juwels auf der grünen Wiese verschrieben hat, freut dies ebenso wie die aus München angereisten Musiker. Nicole Heartseeker hat ihre Orgelausbildung in München, Salzburg und Wien erhalten, ist aber ebenso an den historischen Tasteninstrumenten und dem modernen Klavier interessiert. David Pia, ein Enkel des Dirigenten Karl Richter, ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen, derzeit Solocellist am Gärtnerplatztheater.

Neben dem Klavier ist ein Cembalo aufgebaut, ein prachtvolles, im aufgeklappten Deckel vergoldetes Instrument. Es verkündet, dass das Programm Alte Musik mit neuen Tönen kontrastiert. Nach stundenlangem Donnergrollen hat der Himmel nun ein Einsehen. Das Kirchlein kann sich im Sonnenschein baden. Ländliche Ruhe ist eingekehrt, die zarten Töne von Cello und Cembalo können sich in Antonio Vivaldis Sonate g-Moll ungestört entfalten. Pia entzückt vom ersten Takt an mit einem warmen, seelenvoll singenden Celloton. Heartseeker ist ihm eine einfühlsame Begleiterin, die ihrem Instrument im langsamen Satz dank des Lautenzugs zart perlende Töne entlockt.

Mit dem Wechsel ans Klavier wird eine ganz andere musikalische Welt betreten: Peter Ludwigs "Milonga" lässt das Cello schmachten und in leidenschaftliche Ausbrüche verfallen. Das Klavier ist fast perkussiv, ganz rhythmusbetont, eingesetzt. Der Münchner Pianist, Komponist und Arrangeur Ludwig ist hörbar von der Musik Astor Piazzollas beeinflusst, aus dessen Feder auch das nächste Werk des Programms stammt. Das "Ave Maria" zeigt indes einen eher unbekannten Piazzolla: Sehr zart, fast liebevoll singt das Cello, vom Klavier samtig-weich umschmeichelt; eine rührende Huldigung an die Gottesmutter.

Die andere Seite der Verehrung kommt darauf bei Ludwigs "Tango E" zum Tragen: wild, temperamentvoll, lasziv. Vor dem inneren Auge entsteht unweigerlich das Bild eines eng umschlungen tanzenden Paares, das Eleganz mit Leidenschaft paarend vorüber schwebt. In Ludwigs "La Belge" wechselt die Führung, um im Bild des tanzenden Paares zu bleiben: Das Klavier übernimmt, hat die Melodiestimme, während das Cello mit perkussiven Rhythmen begleitet. Durchaus reizvoll so ein Rollentausch. Dann holt das Cello zu großer Geste aus - und reißt die Führung wieder an sich.

Mikael Tariverdiev sei in Deutschland leider kaum bekannt, erklärt die Pianistin vor der nächsten Nummer. In Russland sei das ganz anders; dort könne jeder spontan eine Melodie des aus Armenien stammenden Filmkomponisten summen. Auch sie liebe ihn sehr und nehme seine Werke immer wieder in ihre Programme auf. "Motherland" erweist sich darauf als etwas süßlich, schon an der Grenze zum Kitschigen. Aber auch das soll seinen Platz haben in einem Programm, das alle Facetten der Emotion ausloten möchte. In Anatoli Ljadows "Präludium" hämmert das Klavier darauf ein repetierendes Motiv, darüber singt sich das Cello mit sanfter Zärtlichkeit aus, um schließlich einen leidenschaftlichen Aufschwung hinzulegen.

Dann beginnt Heartseeker zur Verblüffung des Publikums zu singen - und zwar ausgesprochen gut. Sie hat eine tolle, samtweiche Jazzstimme und genau das richtige Feeling, kann als Sängerin genauso beeindrucken wie am Klavier. Mit deutlichem Piazzolla-Tonfall beschließt Ludwigs "Cäsar" den modernen Teil, mit ekstatischen Rhythmen und einem virtuos auftrumpfenden Cello, das nochmals alles gibt. Für Bachs Sonate D-Dur findet Pia darauf nicht sofort den richtigen Zugang; der erste Satz bleibt etwas farblos. Doch die folgenden gewinnen an Kontur und Ausdruck. Der Schlusssatz wird zum jubelnden Abgesang. Tosender Beifall, der mit einem weiteren Tango Peter Ludwigs belohnt wird. Glückliches Publikum, zufriedene Musiker.

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