Konzert:Junge Musiker, reife Leistung

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Das Puchheimer Jugendkammermusikorchester überzeugt im Tölzer Kurhaus vom ersten Takt an. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Jugendkammerorchester aus Puchheim in Bad Tölz

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Bei jeder Gelegenheit rauf und runter gedudelte "Klassik-Hits" in ein Konzertprogramm aufzunehmen birgt gewisse Gefahren. Zu solchen Werken zählt ohne Frage Mozarts "Kleine Nachtmusik". "Sie kennen das wahrscheinlich als Handyklingelton. Sie werden überrascht sein: Es handelt sich um ein Werk in vier Sätzen", kündigt Peter Michielsen, Gründer und Leiter des Puchheimer Jugendkammerorchesters, die Serenade G-Dur KV 525, wie sie korrekt heißt, mit hintergründigem Grinsen an. Er kennt die Qualitäten seiner jungen Musiker am besten; er weiß, dass sie gleich das Publikum, das sich im Tölzer Kurhaus eingefunden hat, von den Stühlen reißen werden. Zuvor kann er sich eine Bemerkung nicht verkneifen: "Das Stück haben wir eigens für den Ministerpräsidenten ausgewählt: Es hat ein Kreuz."

Und dann legen sie los, die zwölf- bis 19-jährigen Musiker, und erstaunen vom ersten Takt an. Mit frischem Schwung, schön ausphrasiert, lebendig und differenziert gestaltet kommt Mozarts oft allzu glatt gebügeltes Stück hier zu seinem vollen Recht. Statt gepflegter Langeweile kommt Begeisterung auf. Kunst muss packen, mitreißen. Hier tut sie es. Mit viel Ruhe, aber nicht zerdehnt, kommt der 2. Satz. Gefühlvoll, aber nicht sentimental, die Kontraste fein heraus gearbeitet, mit einem spannenden Dialog zwischen hohen und tiefen Streichern. Das Menuett hebt vielleicht eine Nuance zu rasch an; der Mittelteil schwingt sich dann aber in wunderbar tänzerischem Gestus ein. Das abschließende Rondo-Allegro huscht federleicht und elfengleich vorüber. Zauberhaft! Mit dem 1. Satz aus Leos Janaceks "Idyll", ein frühes Werk für Streichorchester, gelingt der Sprung mitten hinein in romantisches Schwelgen, mit feinem Strich gezeichnet. Auch hier entzückt die jungendliche Frische und Bewegtheit. Die hohen Streicher singen sich aus über weichen Pizzicati der Celli. Ein satter, samtig grundierter Tuttisound beherrscht das Stück.

Als nächstes folgt der 2. Satz aus Mendelssohns Streichquartett f-Moll op. 80. Der Komponist habe dies nach dem völlig unerwarteten Tod seiner geliebten Schwester Fanny geschrieben, merkt Michielsen an. "Es wurde auch sein letztes Werk, denn er sollte ihr bald nachfolgen." Erstaunlich, welch elementare Wucht, welch tiefen, schmerzlichen Ausdruck die jungen Musiker hier entfalten. Ihnen gelingt eine sehr berührende Interpretation. Dennoch wirkt das Werk in seiner größeren Direktheit nochmals deutlich eindringlicher.

Anette Hornsteiner, Harfenlehrerin der Musikschule, hat sich die Konzertmoderation mit dem Dirigenten geteilt. Ihre Anmerkungen sind angenehm sachlich-knapp. Der Dirigent hebt darauf den Taktstock zum Großwerk des Abends, Tschaikowskys "Souvenir de Florence" op. 70, aus dem drei der vier Sätze erklingen. Wer alles hören wolle, müsse eben zum Konzert nach Puchheim kommen, merkt Michielsen an. Das dürfte sich lohnen, denn das anspruchsvolle Werk mit seinen komplexen Strukturen wird vom Orchester bestens bewältigt. Wie schon zuvor begeistert der volle, warme Celloklang und die bis in höchste Höhen sauber intonierenden und virtuos aufspielenden Geigen. Ebenso mutige wie souveräne Soli (Cello, Geige, Bratsche) runden den hervorragenden Eindruck ab. "Bravo!", jubelt es nach dem letzten Ton unter tosendem Applaus. Dafür gibt es mit Aaron Coplands "Hoe Down" noch eine wirklich fetzige Zugabe. Ein rundum gelungener Abend.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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