Konzert in Münsing:Träumen vom Zuckerhut

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Banda Brasil trotzt der kühlen Nacht auf Schlossgut Oberambach mit heißen Rhythmen

Von Sabine Näher, Münsing

Ein Open Air im Biergarten des Schlossguts Oberambach: Das hätte dieser Tage leicht ins Wasser fallen können. Doch am Sonntag hat der Himmel ein Einsehen. Von hochsommerlichen Temperaturen immer noch weit entfernt ist es zumindest trocken und so lau, dass die Stühle im Garten allesamt besetzt sind. Das Publikum in dicken Jacken und mit Decken ausgerüstet sieht sich einer offensichtlich heißblütigen Brasilianerin gegenüber, die im hautengen, blütenweißen und schulterfreien Kleid auf der Bühne steht. "Je kälter es wird, desto mehr muss man tanzen", meint Mila Santana ungerührt.

Die Sängerin - zugleich das Herz des Ensembles Banda Brasil - ist immerfort in rhythmischer Bewegung, ob sie nun singt oder beim Solo der Bandkollegen bescheiden in den Hintergrund tritt, um diesen das volle Rampenlicht zu gönnen. Jeferson Teixeira (E-Gitarre), Andy Lutter (E-Piano), Paul Tietze (Flöte, Saxofon) sowie Elmar Schmidt (Schlagzeug und Leitung) legen einen satten Wohlfühl-Sound hin, immer an gesanglichen Linien orientiert. Sie bieten eingängige Musik, bestens geeignet, einen entspannten Abend vor der herrlichen Kulisse des Schlossguts Oberambach zu verbringen.

Dass die Schlossküche für hochwertige kulinarische Begleitung gesorgt hat, versteht sich von selbst. Soweit passt alles - bloß ein wenig wärmer müsste es sein, damit echtes Zuckerhut-Feeling aufkommt. Und obwohl Mila Santana es vormacht, bleibt die kleine Tanzfläche vor der Bühne leer. Das größtenteils aus der älteren Generation stammende Publikum begnügt sich mit Kopfnicken und Fußwippen. Dabei geht der Brazil-Jazz-Pop, eine Verbindung der brasilianischen musica popular, die nichts mit der deutschen Volksmusik, sondern eher mit dem Jazz zu tun habe, wie die Sängerin erklärt, mit der Popmusik, wirklich in die Beine.

Womöglich liegt es an Milas so entspanntem, weich fließenden Gesangsstil, dass es das Publikum auf den Stühlen hält - und statt zum Tanzen eher zum Träumen verführt. Trotz Samba, Bassa Nova und Salsa.

"Ich hoffe, ihr könnt fühlen, was der Inhalt der Lieder ist, auch wenn ihr den Text nicht versteht", meint die schöne Brasilianerin in ihrer charmanten Moderation. Leider setzt sie damit immer erst ein, während das Publikum noch am Klatschen ist. So verpasst man den Anfang regelmäßig. Die Zuhörer müssen den Sinn der Lieder und den der Ansagen selbst erschließen. Aber das ist auch mal gut so. Schließlich gelten die Deutschen ohnehin als zu verstandesbetont und bekommen an diesem Abend einmal eine Lektion in brasilianischen Lebensgefühl: Mehr Herz als Verstand, mehr Fühlen als Denken. Oder wie Santana sagt: Tanzen, Singen, Spüren, Spaßhaben.

Die Sängerin stammt aus Salvador, der Hauptstadt Bahias, dem südlichsten Bundesstaat im Nordosten Brasiliens. Bahia bedeutet Bucht - und hat mit fast 1200 Kilometern die längste Atlantikküste Brasiliens. Da kann das Starnberger Fünf-Seen-Land nicht ganz mithalten, aber immerhin kann es nun schon zum fünften Mal ein See-Jazz-Festival aufbieten. Fünf Veranstalter richten das Festival rund um den See gemeinsam aus. Sie sind darauf bedacht, die ganze Bandbreite des Jazz zu zeigen, und das an außergewöhnlichen Locations - wie es in diesem Zusammenhang wohl heißen muss. In diesem Jahr sind das zusätzlich zum Schlossgut Oberambach der Rittersaal im Schloss Kempfenhausen, das Museumsschiff im Tutzinger Kustermannpark, die Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt und als besonderes Highlight die Roseninsel.

Im Oberambacher Biergarten hoch über dem See lässt der Saxofonist ein subtil gestaltetes Solo hören. Santana wippt im Hintergrund, ehe sie die Linien des Kollegen aufnimmt und vokal fortführt. Ihr Versuch, das Publikum zum Mitsingen zu animieren, glückt indes nur ansatzweise. Von der brasilianischen Lockerheit ist man am Starnberger See eben doch noch etwas entfernt. Nur ein Collie in der vorletzten Reihe lässt sich hemmungslos gehen: Der Hund wirft sich ins Gras, streckt alle Viere von sich und lässt sich den Bauch kraulen. Ihn hat das Zuckerhut-Feeling wohl voll erwischt.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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