Konzert in der Christkönigkirche:Lustvolle Brüche

Holger A. Jung hat zum Lutherjahr fünf "musical pictures" komponiert. Günther Pfannkuch und seine Ensembles laden zur Uraufführung nach Penzberg ein

Von Sabine Näher, Penzberg

"A mighty fortress is our God", tönt es kraftvoll durch das Obergeschoss der Grundschule an der Südstraße. Irgendwie kommt einem die Melodie bekannt vor, auch wenn sie rhythmisch verfremdet ist. Aber der Text? Allmählich dämmert's: "Ein feste Burg ist unser Gott", der wohl bekannteste Luther-Choral, klingt hier an. Aber warum singt das Vocalensemble Penzberg auf Englisch? Wie gut, dass es sich bei "Luther - musical pictures" um eine Uraufführung handelt und der Komponist persönlich dazu Auskunft geben kann.

Für Holger A. Jung ist es das achte Projekt, das er gemeinsam mit dem Penzberger Chor- und Orchesterleiter Günther Pfannkuch auf die Beine stellt. Beide hätten sie etwas zum Luther-Jahr beitragen wollen, erklärt Jung. Und er sei sich schnell darüber im Klaren gewesen, dass er Luthersche Texte und Choräle in eine Gospel- oder Spiritual-Kantate fassen wollte. "Für diese musikalische Form eignet sich die englische Sprache natürlich besser." Die naheliegende Frage, ob Zuhörern der urdeutsche Reformator auf Englisch vielleicht eher Spanisch vorkomme, beantwortet der Komponist nachsichtig: "Das würde ich bedauern. Aber Luther selbst singt auf Deutsch. Nur der Spiritual Mezzo und der Chor haben englische Texte." Aha!

Service

Holger A. Jung erweist Luther eine musikalische Referenz - und der Penzberger Grafiker Egbert Greven macht sich sein Bild darauf.

(Foto: oh)

Zwei Sprachen nebeneinander, geht das? "Ich finde, es funktioniert", sagt Jung, "und ich hoffe, es wird auch für das Publikum funktionieren." Gospel und Spiritual seien volksmusikalische Formen, ergänzt Pfannkuch, und auch Luther habe bekanntlich "dem Volk aufs Maul" geschaut. "Wir haben sozusagen den umgekehrten Weg beschritten." Außerdem habe Luther damalige Gassenhauer mit seinen neuen, eigenen Texten unterlegt, um ihnen größere Popularität zu sichern. Damit ist das Prozedere sanktioniert: Luther hätte es gefallen.

Auf alle Fälle ist das Penzberger Projekt ein neuer Weg, sich dem 2017 allgegenwärtigen Bibelübersetzer zu nähern. Und es macht neugierig. In der Chorprobe in der Südschule zeigt sich, dass Pfannkuchs Vocalensemble seinen Zugang zu Jungs Werk schon gefunden hat. "Luther, The Rebel" ist das erste der fünf musikalischen Bilder überschrieben, das vom Choral "Ein feste Burg" dominiert wird. Es ist spannend, den rhythmischen Verfremdungen der bekannten Melodie nachzuspüren. "Ihr müsst hier nicht nur schön singen, sondern vor allem rhythmisch prägnant", ermahnt der Chorleiter. Denn der Komponist bricht lustvoll mit der Hörerwartung, indem er etwa bei "is our God" vor "God" eine unerwartete Pause einbaut, die diesem Wort eine neue Bedeutung verleiht. Im Klavier deutet sich derweil der fetzige Orchestersound an, den das Sinfonieorchester im Pfaffenwinkel in den beiden Konzerten am 1. und 2. April beisteuern wird.

Konzert in der Christkönigkirche: Bei den Proben mit dem Vocalensemble Penzberg wendet Günther Pfannkuch auch mal unkonventionelle Methoden an.

Bei den Proben mit dem Vocalensemble Penzberg wendet Günther Pfannkuch auch mal unkonventionelle Methoden an.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Unterstützt werden die Penzberger außerdem von zwei Gesangssolisten, einem klassischen Bariton (Christian Feichtmair) und einer Jazzsängerin (Barbara Mayr), sowie von einer kleinen Band aus Harfe, Klavier und Schlagzeug, die zum Orchester hinzu treten wird. In den Aufführungen wird Jung am Klavier sitzen. Seine ersten Proben mit dem Orchester haben ihn bestärkt: "Es war sehr spannend, die echte Umsetzung meiner Komposition zu erleben. Eine klangliche Simulation am Synthesizer ist ja doch etwas anderes."

Komponist wie Dirigent betonen, dass sie den Austausch während der Probenarbeit sehr schätzen: Durch Rückfragen ergäben sich mitunter auch noch Veränderungen am Stück. "Dieses Wechselspiel zwischen Interpret und Komponist ist sehr fruchtbar", attestiert Jung.

Pfannkuch übt mit dem Chor eine rhythmisch vertrackte Stelle derweil auf ungewöhnliche Art: "Wir rappen das jetzt mal. Ich mach's eben vor." Das ist hilfreich, um das rhythmische Gefüge zu verinnerlichen. Und es funktioniert: Als die Passage erneut gesungen wird, läuft es deutlich besser. Drei bis vier Raps später klappen auch die gewöhnungsbedürftigen Wechsel vom 7/8- zum 6/4-Takt. "Luther, The Legend" heißt das zweite Bild. Hier wird der Solist zunächst "Mitten wir im Leben sind" singen, dann der Chor einsetzen mit "Holy and righteous God, allmerciful Saviour". Im Gegensatz zum rhythmusgeprägten ersten Teil sind hier ganz getragene, fließende Passagen zu gestalten. Das klappt prächtig - und als das Klavier dazu den Orchesterpart andeutet, entsteht eine dichte Atmosphäre.

"Luther's Credo" lautet der fünfte Satz. Er beginnt mit dem Bariton und "Wir glauben all an einen Gott". "We all believe in Jesus Christ" wird die Solosängerin fortfahren, gefolgt vom Chor und den Worten "Born of Mary, virgin mother, by the power of the spirit". Wie sich das zusammenfügt, wird sich an diesem Wochenende zeigen. Spannend ist es allemal.

Holger A. Jung, "Luther - musical pictures", Samstag, 1. April, 20 Uhr, Sonntag, 2. April, 19 Uhr, Stadtpfarrkirche Christkönig, Penzberg, Karten im Vorverkauf in der Penzberger Buchhandlung Rolles

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: