Kommentiertes Konzert:Von wegen Suppe kochen

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Leni wird von ihren Brüdern immer heimgeschickt, wenn es spannend wird. Aber dann setzt sie das Weihnachtswunder in Gang - und bezaubert gemeinsam mit 50 Mitwirkenden die Gäste beim "Tölzer Adventssingen".

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Wer es nie zuvor erlebt hat, mag sich fragen, was er sich unter einem "durchinszenierten Adventssingen" vorstellen soll. Eine Antwort darauf gibt es im ganzen süddeutschen Raum bloß in München - und in Bad Tölz. Groß war der Andrang zu den beiden Aufführungen am Sonntagnachmittag im Tölzer Kurhaus. Und die hohen Erwartungen der Gäste sollten nicht enttäuscht werden.

Schon das Bühnenbild weckt Vorfreude: Unzählige, nicht geschmückte Fichten erinnern an einen winterlichen Wald, ringsherum leuchten Legionen von roten Weihnachtssternen. Links vor der Bühne ist die Bläserformation samt Pauken aufgebaut, ein Ensemble der Tölzer Stadtkapelle, rechts die Plätze der übrigen Musiker, also Geigen, Flöten, Oboen, Klarinetten, Akkordeon, Gitarren, Zither, Hackbrett, Harfen und Kontrabass (Leitung Judith Geißler-Herzog, Rainer Gruber). Schon rein optisch ist das eindrucksvoll und verheißt alpenländisches Kolorit, ein Versprechen, das akustisch eingelöst wird.

Die Bühne gehört den Sängern des Fischbacher Chores, dem Dreig'sang Ossiander-Darchinger und der Hirtenspielgruppe des Tölzer Adventssingens, die von Klaus Wittmann geleitet wird. Wittmann tritt zudem als Sprecher auf und ist für die Gesamtleitung verantwortlich. Ein riesiges Aufgebot also, das phänomenal gut zusammen wirkt. Das im Mittelpunkt des Geschehens stehende Hirtenspiel geht auf Sissy Mayrhofer zurück und wurde von Wittmann neu eingerichtet. Die kommentierenden Sprechertexte stammen nicht nur von Mayrhofer, sondern auch von Pater Wolfgang Winhard und Abt Odilo Lechner. Mitunter werden sie zu theologischen Exkursen, die dieses für sich sprechende wunderbare Spiel eigentlich gar nicht bräuchte. Für den einen oder anderen Zuschauer wäre die Aufführung ohne diese den Ablauf unterbrechenden Einschübe vielleicht sogar noch stärker und eindrücklicher. Doch dies ist wirklich der einzige denkbare Kritikpunkt.

In die Abschnitte "Erwartung", "Verkündigung", "Herbergsuche", "Hirten auf dem Feld", "Gloria", "An der Krippe" und "Ausklang" unterteilt, läuft das bekannte Geschehen spielerisch, sängerisch und instrumental schön umgesetzt ab. Und zieht die Zuschauer fast zwei Stunden ohne Pause nachhaltig in seinen Bann. "Jenseits der Unrast des vorweihnachtlichen Hochbetriebs will die Sing- und Musikschule Bad Tölz versuchen, den Besuchern ihren persönlichen Zugang zur weihnachtlichen Botschaft zu ermöglichen", hatte es in der Ankündigung geheißen. Und tatsächlich: Das Adventssingen ist der größtmögliche Gegensatz zum Geschiebe und Gelärme jenseits der Isar in der Marktstraße.

Alle Beteiligten haben ihren Anteil am gelungenen Ganzen. Hervorzuheben sind die Darsteller des Krippenspiels. Alle agieren sie wunderbar authentisch, natürlich in schönster oberbairischer Mundart und absolut souverän. Stellvertretend genannt sei die entzückende Magdalena Wittmann als kleine Leni, die von den machomäßigen Hirtenbuben immer weggeschickt wird, wenn's spannend wird. Dann soll sie Schafe zählen oder Suppe kochen. Aber Leni ist es, die Maria und Josef, völlig erschöpft von der vergeblichen Herbergssuche, kurzerhand im leeren Stall einquartiert (in dem die Buben eigentlich Lämmer verstecken wollten) - und so bringt sie das Weihnachtswunder in Gang.

Ein Extra-Lob gebührt auch dem Fischbacher Chor unter der Leitung von Franz Schwaighofer, der mit wunderbarer sängerischer Präsenz überzeugte. Und Klaus Wittmann hatte so schlichte wie ergreifende Regieeinfälle wie den, die herbergsuchende Maria, anrührend mit einer brennenden Kerze in den Händen, bittend den Chor entlang wandeln zu lassen, während jeder Sänger mit einer überdeutlichen Abwehrgeste ihre verzweifelte Situation augenfällig werden ließ.

Die Musiker waren ausnahmslos mit Liebe und Engagement bei der Sache. Und passender als mit dem gemeinsam von allen, auch denen unten im Saal, gesungenen Andachtsjodler hätte dieses ergreifende Adventsspiel gar nicht enden können. Langer, großer Beifall.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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