Kommentar:Unbestätigte Beschwerden

Minderjährige Flüchtlinge brauchen Schutz. Man darf sie nicht an den Pranger stellen

Von Felicitas Amler

Jetzt sind es also die Ärmsten der Armen: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge machten im öffentlichen Leben der Stadt Bad Tölz Probleme, so lassen angeblich Wirte und Polizei über den Bürgermeister ausrichten. "Große Probleme." Die Verantwortlichen der Heime, in denen minderjährige unbegleitete Flüchtlinge leben und betreut werden, können nur staunen. Offenbar hat ihnen bisher niemand Beschwerden dieser Art vorgetragen. Dabei wären sie und niemand sonst die allererste Adresse dafür.

Irgendetwas kann an dieser Darstellung nicht stimmen. Denn sollte tatsächlich all das geschehen sein, was aus der nicht öffentlichen Krisensitzung an die Öffentlichkeit gebracht wird, dann hätte es doch jemand eklatant versäumt, rechtzeitig angemessen zu reagieren: Minderjährige, denen "sexuelle Belästigung" und "übermäßiger Alkoholkonsum" vorzuwerfen sind, kann man ja nicht einfach des Weges ziehen lassen. Die Polizei müsste über dergleichen Vorkommnisse die Heime informieren, in denen die jungen Flüchtlinge leben. Doch bei der Tölzer Polizei, so erbringt eine Nachfrage, ist gar nichts aktenkundig.

Das alles riecht stark nach Ressentiment und eingeschränkter Wahrnehmung. Vermutlich benehmen sich öfter mal Jugendliche in Lokalen daneben. Deutsche Jugendliche. Ausländische Jugendliche. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - das sind jene jungen Menschen, die oft eine monatelange schreckliche Flucht hinter sich haben und tief traumatisiert sind - sollten bei uns vor allem Geborgenheit finden. Geborgenheit, Fürsorge, Zuwendung, Hilfe. Wer sie an den Pranger stellt, nützt niemandem und schadet vielen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: