Kommentar:Nöte hinter schöner Fassade

Dass der Markt nicht alles regelt, zeigen die Verkehrs- und Wohnungsprobleme im Oberland

Von Klaus Schieder

Von Franken oder der Oberpfalz aus betrachtet, ist das südliche Oberbayern eine Insel der Seligen. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenquote ist winzig, das Freizeitangebot zwischen Bergen und Seen üppig. Für eine Krankenschwester, einen Polizisten, einen Busfahrer wird ein normales Leben hinter den Lüftlmalerei-Fassaden allerdings zunehmend unmöglich: Selbst für Bruchbuden werden schon horrende Mieten verlangt, auf dem Weg zur Arbeit steht man mit dem Auto oft genug im Stau, die Alternativen mit Bus oder Bahn sind kaum vorhanden. Es ist gut, dass Landräte und Bürgermeister aus der Region am Montag in bemerkenswerter Zahl ins Tölzer Kurhaus kamen, um sich mit diesen Problemen gemeinsam auseinander zu setzen. Und es ist noch besser, dass der designierte Ministerpräsident Markus Söder trotz der Terminfülle an diesem Tag nicht abgesagt hat.

So besteht zumindest ein wenig Hoffnung, dass Kommunalpolitik und Freistaat das von ihnen sträflich Vernachlässigte langsam nachholen. Schon vor etlichen Jahren wandten sich viele Städte und Gemeinden vom sozialen Wohnungsbau ab. Die staatliche Förderung lief aus, danach wurden die Mieten frei verhandelbar und erhöhten sich drastisch. Auf dem freien Markt wiederum erwarben oftmals Reiche aus München oder sonstwoher neu gebaute Eigentumswohnungen in Wolfratshausen, Geretsried oder Bad Tölz als reine Renditeobjekte, was im steten Ping-pong-Effekt den Mietspiegel nach oben schnellen ließ. Wohnen ist aber nicht bloß eine Form der Kapitalanlage. Es ist ein Grundbedürfnis des Menschen wie Essen oder Kleidung. Der Glaube, die Gesetze des Marktes würden hier alles regeln, ist gefährlicher Unsinn.

Mit dem Verkehr sieht es nicht viel besser aus. Der S 7-Ausbau nach Geretsried und die Tölzer Nordumgehung werden erst in fernerer Zukunft gebaut sein. Das Busangebot ist indes selbst zwischen den Städten wie Geretsried und Bad Tölz fragmentarisch und rein auf den Schülerverkehr ausgerichtet. Von irgendwelchen Ost-West-Verbindungen oder gar Linien in die Jachenau oder nach Dietramszell ganz zu schweigen. Ähnliches gilt für den Zugverkehr, der den Landkreis mit S-Bahn oder BOB lediglich peripher streift. Will man Abhilfe schaffen, kann man dies ebenfalls nicht mit Marktgesetzen, sprich: mit Rentabilität regeln.

Am allerbesten wäre es, wenn Kommunen und Freistaat in günstige Wohnungen und ÖPNV-Ausbau richtig viel Geld investierten. Ob sie das stemmen können, ob sie das wollen, ob sie das dann auch durchsetzen? Erst wenn das gelänge, würde das Oberland vielleicht wirklich zu einer Insel der Seligen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: