Kommentar:Mensch bleiben

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Der Landkreis war bisher vorbildlich solidarisch mit Asylbewerbern. Das sollte sich jetzt, mit dem Vorhaben auf der Flinthöhe, nicht ändern

Von Felicitas Amler

Man kennt das: Kinder stören viele Nachbarn hierzulande ganz grundsätzlich - zu lebhaft, zu laut, zu aktiv. Ein Kindergarten oder Spielplatz neben dem eigenen Zaun? Allzu oft geht das nicht ohne Proteste ab. Auch gegen behinderte oder psychisch kranke Menschen im eigenen Wohnumfeld gibt es immer wieder Vorbehalte. Man erinnere sich an die hässliche Diskussion in Bad Tölz über eine Reha-Einrichtung für hirngeschädigte Kranke. Und schließlich arme Menschen, gern als "sozial schwach" bezeichnet, obwohl sie allenfalls einkommensschwach sind (wie's um ihre sozialen Fähigkeiten steht, ist wie bei allen anderen Menschen eigentlich offen). Aber Hartz IV-Bezieher gleich nebenan? Gar in größerer Zahl? Da kommen oft ganz unschöne Vorurteile hoch. Man kennt das alles. Aber muss man es hinnehmen?

Wie selbstverständlich nimmt es diese Gesellschaft hin, dass Asylbewerber in der Nachbarschaft als Vermietungshindernis angesehen werden. Menschen, die Hab und Gut, Heimat und Familie, sprachliche und kulturelle Geborgenheit hinter sich gelassen haben. Menschen, die vor Hunger und Elend, vor Unfreiheit und Unterdrückung, womöglich vor Terror, Folter, Vergewaltigung geflohen sind. Diese Asylbewerber sind Menschen, die Zuflucht, Solidarität und Hilfe brauchen. Im so stark katholisch geprägten Oberland möchte man sagen: Sie sollten christliche Nächstenliebe erfahren.

Viele Asylsuchende, die zwischen Wackersberg und Münsing Aufnahme fanden, haben genau dies erlebt: Zuwendung, Unterstützung, helfende Hände, offene Häuser, ja, sogar Freundschaft. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat sich in den vergangenen knapp drei Jahren, seit die ersten Flüchtlinge in Bad Heilbrunn ankamen, als geradezu vorbildlich menschenfreundlich erwiesen. Und jetzt, gerade jetzt, da der Druck aus München zunimmt, soll sich das ändern? Eine Anlage mit Wohncontainern mag nicht die beste aller denkbaren Lösungen für Asylbewerber sein. Aber sie ist immerhin eine Lösung. Die Lage auf der Flinthöhe in Bad Tölz ist noch dazu relativ gut - mit ausreichender Infrastruktur rundherum. Es gibt einen zuverlässigen Kreis ehrenamtlicher Flüchtlingsbetreuer in der Stadt. Und was der Landkreis an solider sozialer Betreuung leistet, kann man am Beispiel der Asyl-Container in Geretsried sehen. Die Mitarbeiterinnen sind Ansprechpartnerinnen an Ort und Stelle. Warum sollten Gewerbetreibende und Geschäftsleute es ablehnen, neben einer derart eingebetteten Flüchtlings-Notstation zu arbeiten? Man sollte nicht jede Klage klaglos hinnehmen.

© SZ vom 28.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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