Es gibt im Deutschen den schönen Ausdruck "einer Sache Raum geben": Man nimmt sie wichtig, lässt sie zur Geltung kommen, sich entfalten. Das gilt im übertragenen Sinn des Wortes Raum, aber auch im konkreten. Geretsried hat sich vorgenommen, der Kultur mehr Raum zu geben - ideell und materiell. Ein Glücksfall für Kunst und Kultur im Landkreis. Denn so großartig all die Festivals sein mögen, die zwischen Isar und Loisach gefeiert werden - im Zelt, auf offener Straße, am Fluss: Es sind immer nur temporäre Ereignisse. Wunderbare Events, in welche auch Kommunen oft viel Geld stecken. Aber wenn Kultur die Menschen im Alltag erreichen, sie bewegen, gar zu eigenem Engagement motivieren soll - dann braucht sie Raum und Struktur: Infrastruktur. Dass die Politik in Geretsried dies erkannt hat, ist nicht hoch genug einzuschätzen.
Eine Volkshochschule, die in Nebenräumen planen muss, ein Stadtarchiv, das zur Pflege und Auswertung des Bestands nicht mehr als einen Schreibtisch hat (und das bei einer Stadt, in der es NS-Geschichte zu erforschen gibt); zeitgenössische Kunst, die sich in Seitengänge des Rathauses verdrücken muss - aus solcher Kulturarbeit können kaum Funken schlagen, die eine Stadtgesellschaft dauerhaft entflammen. Bürgermeister Michael Müller spricht davon, dass es in Geretsried "identitätsstiftende" Elemente brauche. Und er ist auf dem besten Weg, wenn er sie in der Kultur sucht.
Die Bücherei soll neue, VHS und Archiv erstmals eigene Räume im Zentrum bekommen, das Geretsried gerade völlig neu konzipiert. Das bisher schon sehr sehenswerte Stadtmuseum soll erweitert; Ratsstubensaal und -gastronomie sollen überarbeitet, womöglich neu gebaut werden. Und endlich wird wenigstens in einer der drei Städte im Landkreis ausreichender, angemessener Raum für zeitgenössische Kunst geschaffen. Ausgerechnet das wegen seines Mangels an Schönheit oft belächelte, ja geschmähte Geretsried kann sich damit zu dem Kultur-Zentrum im Landkreis, wenn nicht darüber hinaus mausern.