Königsdorf/Berlin/Delhi:Turban statt Lederhosen

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(Foto: dtv)

"Home made in India": Christopher Kloeble erzählt seine Liebesgeschichte

Von Sabine Näher, Königsdorf/Berlin/Delhi

Als Kind kommt sich Christopher Kloeble immer irgendwie fremd vor in Königsdorf. Dabei sind die Eltern eigens mit ihm aus München hergezogen, damit das Kind auf dem Land aufwachsen kann. Aber er spricht kein Bairisch, bleibt ein "Zuagroaster". Der Eindruck, nicht dazuzugehören, setzt sich beim Studium in Leipzig und später in Berlin fort. Er fühlt sich in dieser Stadt, in der es "nie an Menschen, aber immer an Ruhe fehlt, so allein, wie man sich nur an einem Ort mit vielen Menschen allein fühlen kann". Seine Zuflucht ist das Schreiben. Als der erste veröffentlichte Roman ein Erfolg wird, kontaktiert ihn eine Literaturagentin aus New York. Die beiden treffen einander - und verlieben sich. Und zum ersten Mal in seinem Leben fühlt sich Kloeble nicht mehr fremd. Obwohl (oder weil?) diese Frau aus einem völlig anderen Kulturkreis kommt: Saskya Iris Jain ist in Indien aufgewachsen. "Bevor ich Saskya kennenlernte, war Indien für mich ein Land, von dem ich noch nicht einmal wusste, ob ich es besuchen wollte. Heute, während ich das hier schreibe, kann ich mir ein Leben ohne Indien nicht mehr vorstellen (. . .) Ich liebe dieses Land."

Die Zitate stammen aus Kloebles neuem, Anfang August bei dtv erschienenen Buch "Home made in India - Eine Liebesgeschichte zwischen Delhi und Berlin". Hatte er in seinen vorherigen Werken Autobiographisches in Romanform abgehandelt (etwa die Leipziger Zeit seiner Familiengeschichte in "Die unsterbliche Familie Salz"), schreibt er nun eine Reportage in eigener Sache, wählt eine journalistische Form anstatt einer dezidiert schriftstellerischen. "Ich glaube, auch ein biografisch geprägtes, essayistisches Reisebuch kann durchaus schriftstellerisch sein. Jede Geschichte verlangt nach einer gewissen Form. Diese Geschichte wollte so erzählt werden", erklärt Kloeble. Und so wird der Leser Zeuge dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte, nimmt Anteil an den Herausforderungen, vor die sich das Paar gestellt sieht, etwa beim jeweils ersten Besuch der künftigen Schwiegereltern im fremden Land mit eigenen Bräuchen und Gepflogenheiten.

Interessanterweise setzt Kloeble exemplarische Erfahrungen in Indien immer solchen aus Königsdorf entgegen, obwohl der Untertitel des Buches ja Berlin als Bezugspunkt neben Delhi angibt. Das Paar lebt die eine Hälfte des Jahres in Berlin, die andere in Delhi. Aber um die indische Metropole schlaglichtartig zu beleuchten, gibt Königsdorf natürlich den stärkeren Kontrast ab. Zum Beispiel der erste Morgenspaziergang in Saskyas Vaterstadt: "Fahrer schlagen mit Lappen den Staub von den Autos ihrer Arbeitgeber. Spatzen waschen sich in einer Sandpfütze. Die Luft riecht nicht so neu wie an einem Morgen in Königsdorf, wenn die Betten zum Lüften aus dem Fenster gehängt werden; sie duftet opulent, hat eine Menge mitzuteilen."

Da das Leben zwischen den Kontinenten gelingt, heiraten die beiden. Und so bekommt der Leser auch intime Einsicht in eine indische Hochzeitszeremonie. "Der Turban sitzt erstaunlich fest, mein Herz klopft zwischen den Schläfen. Ich blicke mich nach meiner zukünftigen Frau um, kann sie nirgends entdecken. Anstatt in ihre Arme zu fallen, werde ich von Verwandten und Freunden der Familie in die Arme genommen, denen ich noch nie begegnet bin." Mit den Augen Kloebles dieses Land zu erkunden - das macht die Qualität des Buches aus. Dass man umgekehrt aus Saskyas Sicht einmal auf die eigenen Sitten und Vorurteile schauen und diese hinterfragen kann, ist ein zusätzlicher Reiz.

"Inzwischen bin ich offiziell eine Person of Indian Origin, das heißt, ich brauche kein Visum mehr, um nach Indien zu reisen", sagt Kloeble. " Wahrscheinlich bin ich der erste Königsdorfer mit indischer Herkunft". Und wo ist er nun zu Hause? "Unsere Heimat ist keine geografische Region. Vielmehr erschaffen wir diese dritte und wichtigste Heimat immer dort, wo wir zusammen sind."

Christopher Kloeble: Home made in India, dtv premium, 288 Seiten, ISBN 978-3423261722

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