Kochel am See:Streit um Soldaten im Kindergarten

Im Kampfanzug bringen Fallschirmjäger aus Altenstadt Geschenke. Die Friedensinitiative prangert das als Werbe-Aktion in der Kita an.

Von Jakob Steiner

Kochel am See: Übergabe der Geschenke an die KiTa in Kochel am See. In den US-amerikanischen Luftlandeeinheiten ist der Toy Drop seit vielen Jahren eine feste Institution.

Übergabe der Geschenke an die KiTa in Kochel am See. In den US-amerikanischen Luftlandeeinheiten ist der Toy Drop seit vielen Jahren eine feste Institution.

(Foto: Bundeswehr/Andreas Rindle/oh)

Der Lastwagen der Bundeswehr fährt vor dem gemeindlichen Kindergarten Kochel am See vor. Mehrere Fallschirmjäger aus Altenstadt haben eine riesige Menge gespendetes Spielzeug gesammelt - Fahrzeuge, Bauklötze, Brettspiele. Und die laden Soldaten in Flecktarn und Weihnachtsmannmützen um Oberstleutnant Michael März nun aus. "Die Freude und das Staunen der Kleinen darüber waren groß", heißt es in der Pressemitteilung der Bundeswehr über die Aktion vom 15. Dezember. Doch nun gibt es Ärger.

Die Friedensinitiative des Landkreises prangert den Besuch in einem offenen Brief an den Kochler Bürgermeister Thomas Holz (CSU) an. Der Vorsitzende der Initiative, Helmut Groß, erklärt auf Nachfrage, bei dem Besuch handle es sich eindeutig um Sympathie-Werbung der Bundeswehr im Kindergarten. Der Soldatenberuf sei kein Beruf wie jeder andere, ein Soldat müsse töten und zerstören. Kinder sollten damit nicht konfrontiert werden. "Wenn mein Kind in dem Kindergarten wäre, würde ich das nicht akzeptieren", stellt Groß klar. Das sei ohne Zweifel keine humanitäre Aktion gewesen.

Die Friedensinitiative fragt in ihrem Brief rhetorisch: "Herrscht in diesem Kindergarten ein so gravierender Mangel an Spielzeug?" Sie wertet den Besuch als Verstoß gegen eine Empfehlung des Ausschusses der Vereinten Nationen für Kinderrechte. Dieser legt der Bundesregierung nahe, alle Formen von Werbekampagnen für die deutschen Streitkräfte zu verbieten, die auf Kinder abzielen.

Bürgermeister Holz widerspricht dieser Verknüpfung vehement. Der Besuch der Bundeswehrsoldaten sei keineswegs eine Werbeaktion gewesen. "So etwas würde ich auch nicht zulassen!", verteidigt er sich. Die Soldaten aus Altenstadt waren auf den Kochler Veteranen- und Reservistenverein zugekommen, der wiederum stellte den Kontakt zur Gemeinde her. Der Bürgermeister informierte die Leitung der Kindertagesstätte an der Badstraße. Die Erzieherinnen seien nicht vom Besuch überrascht worden, sondern lediglich von der Menge an Spielzeug, sagt Holz. Die Eltern der Kinder wurden durch einen Aushang in der Kindertagesstätte über den Besuch der Bundeswehr informiert. Der Elternbeirat war für die SZ nicht zu sprechen.

Der Vorsitzende des Veteranen- und Reservistenvereins in Kochel, Josef Scheifler, stellt klar, dass es sich nicht um eine Kampagne für Militarismus handelte. Er begrüßt die Öffentlichkeitsarbeit der Altenstädter Soldaten, da so deutlich gemacht werde, dass sie "normale Bürger der Gesellschaft und keine Aliens" seien.

Die Bundeswehr zeigt sich enttäuscht. Der Presseoffizier des Ausbildungszentrums Infanterie, Andreas Rindle, erklärt, die Geschenkübergabe sei eine Überraschung gewesen. "Dass das so in die Hose geht, hätte ich nicht gedacht", kommentiert Rindle den Nachgang. Mit der Aktion folgt die Bundeswehr einer Tradition des US-Militärs. Dort sei der "Toy Drop" seit vielen Jahren eine feste Institution der Luftlandeeinheiten, heißt es. Die Soldaten springen mit einem Spielzeug in der Hand mit dem Fallschirm ab und beschenken hinterher Kinder.

Die Gemeinde Kochel am See pflegt seit mehr als 30 Jahren eine intensive Partnerschaft mit der IX. Inspektion der Ausbildungseinrichtung in der Garnisonsgemeinde Altenstadt. Alljährlich lockt das Wasserspringen der Fallschirmjäger zahlreiche Besucher an den Kochelsee. Aufgrund der Umstrukturierung vor zwei Jahren von der Luftlande- und Lufttransportschule zum Ausbildungsstützpunkt haben die Gemeinde und die Bundeswehr ihre Partnerschaft im vergangenen Jahr erneuert.

Friedensaktivist Helmut Groß möchte mit seinem Protest die Öffentlichkeitsarbeit problematisieren. Es sei zwar ein legitimes Anliegen der Bundeswehr, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Allerdings müsse man sich fragen, warum das ausgerechnet in einem Kindergarten sein muss. Die Friedensinitiative wolle niemanden beschuldigen, sondern erreichen, dass sich so ein Besuch nicht wiederholt - der Brauch der US-Streitkräfte sei zudem "völlig unsinnig". Die Bundeswehr hatte nach ihrer Aktion im Dezember angekündigt, wieder einen "Toy Drop" ausrichten zu wollen. Reservist Scheifler betont, die Aktion im Kindergarten habe erstmals stattgefunden. Es stehe nicht fest, ob so etwas in Kochel wiederholt werde.

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