Integration in Kochel am See:Flüchtlinge zur Freiwilligen Feuerwehr

Flüchtlinge im Vereinsleben

Integration durch Engagement: "Bei uns kann jeder zwischen 14 und 63 Jahren Mitglied werden", sagt Feuerwehrkommandant Hubert Resenberger.

(Foto: Manfred Neubauer)

Eine neue Initiative will Asylbewerber ermuntern, sich in Vereinen zu engagieren. Das Angebot soll es bald in ganz Bayern geben.

Von Petra Schneider, Kochel am See

"Treffen sich drei Deutsche - und gründen einen Verein", heißt es in einem Witz, den Vangelis Parasidis am Montagabend gleich zu Beginn erzählt. Ein wahrer Kern stecke darin, denn "in kaum einem anderen Land ist das Vereinsleben so lebendig wie in Deutschland". Parasidis ist Mitarbeiter der Georg-von-Vollmar-Akademie, die mit einer Veranstaltungsreihe die Lage der Flüchtlinge verbessern will: Integration durch Engagement. Flüchtlinge aller Altersgruppen sollen ermuntert werden, an Vereinsleben und Ehrenamt teilzunehmen.

Zum beiderseitigen Nutzen: Flüchtlinge könnten in Vereinen leichter Deutsch lernen und Kontakt finden - und Vereine und Organisationen wie Feuerwehren und Bergwacht neue ehrenamtliche Unterstützer. Die Veranstaltung am Montag bildet den Auftakt der Reihe, die im kommenden Jahr bayernweit angeboten werden soll.

70 Menschen sind gekommen, fast nur Flüchtlinge

In Kochel stößt sie auf breites Interesse: Etwa 70 Menschen sind gekommen, mindestens drei Viertel davon Asylbewerber, die übrigen Mitglieder des Kochler Helferkreises. Frauen, Männer und Kinder hören aufmerksam zu, was die jeweiligen Vorsitzenden der Vereine und Gruppen erzählen.

Die Afghanin Zohal und der Syrer Mohammed, beide selbst junge Flüchtlinge, übersetzen ins Farsi und ins Arabische: Fußball-, Turn-, und Sportverein, Bergwacht und Feuerwehr sowie die Kinder-Theatergruppe Ried stellen sich vor. Welche Angebote gibt es für welche Altersgruppen? Wo und wann finden Treffen oder Training statt?

Der Feuerwehrkommandant heißt alle willkommen

Die Vereinsvorsitzenden geben nicht nur Informationen, sondern setzen auch Zeichen der Willkommenskultur: "Bei uns kann jeder zwischen 14 und 63 Jahren Mitglied werden", sagt etwa Feuerwehrkommandant Hubert Resenberger. Auch die Sportvereine zeigen sich offen: "Jeder ist herzlich eingeladen, beim Training vorbeizukommen", sagt Andreas Leis vom FC Kochelsee-Schlehdorf.

Wie seine Kollegen von TG und SV betont er, dass Asylbewerber von Mitgliedsbeiträgen befreit seien. "Jeder, der Fußball spielen will, soll spielen, das darf nicht am Geld scheitern." Der Bayerische Landessportverband habe mit einer speziellen Versicherung auch Asylbewerber abgedeckt, erklärt Bertram Klein von der TG Kochel. "Alle Teilnehmer sind deshalb versichert."

Klein freut sich, dass bereits einige Flüchtlinge in seinem Verein mitmachten: Besonders die Gymnastik sei beliebt, auch bei Asylbewerberinnen. Gleiches gilt für das Rieder Kindertheater. Wie Franz von Lerchenhorst erzählt, hätten im vergangenen Jahr bereits ein oder zwei Flüchtlingskinder mitgespielt, "und dabei spielend die Sprache gelernt." Gefragt sind auch Fußball oder Tischtennis, für die man nicht viele Worte braucht. "Man kann mit- und nachmachen, ohne gleich die Sprache können zu müssen", sagt TG-Vorsitzender Klein. Integration durch Sport sei aber nur möglich, wenn "unsere Turnhalle Turnhalle bleibt".

Wahid hat beim FC Kochelsee schon Freunde gefunden

80 Flüchtlinge leben zurzeit im Hauptort von Kochel mit seinen 2880 Einwohnern, in zwei Wochen werden es laut Bürgermeister Thomas Holz (CSU) 100 sein. Alle sind dezentral in Wohnungen untergebracht, aber wie in den meisten Kommunen könnte auch dort die Turnhalle belegt werden. Im Moment werde nur über die Unterbringung der Flüchtlinge geredet, aber für deren Integration gebe es noch kein richtiges Konzept, sagt Holz. Vereine könnten einen wichtigen Beitrag leisten. "Denn Integration heißt miteinander leben, nicht nebeneinander."

Wahid und Reza sind begeisterte Fußballspieler. Seit elf Monaten ist der 16-jährige Wahid in Kochel, seit sechs Monaten spielt er beim FC. Sein Deutsch ist erstaunlich gut. Als unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling ist er aus Afghanistan geflohen. Wie sein Freund Reza wohnt er in einem Haus in Altjoch und geht in die Tölzer Berufsschule. Er ist froh, dass er zweimal die Woche mit dem Fahrrad zum Fußballtraining nach Kochel fahren kann, denn in Altjoch sei es sonst "ein bisschen langweilig". Beim Fußball habe er Freunde gefunden, "deutsche Freunde", sagt er und strahlt. Auch sein Trainer Andreas Leis sieht das als Gewinn: "Es würde uns freuen, wenn wir mehr so sportliche, nette Kerle wie den Reza und den Wahid bei uns hätten."

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